Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
ihren Tee, bis auf Adas Gesicht ein Lächeln aufschien und sie Grace über den Rand ihrer Tasse hinweg ansah. »Du, Gracie ... Weißt du, was mir Lady Alford heute erzählt hat?« Ein glückliches Lachen perlte kurz in ihrer Kehle auf. »Ich sei das erste Mädchen, das Simon seinen Eltern je vorgestellt hat.«
Grace zwinkerte ihr zu. »Das ist doch ein gutes Zeichen.«
Findest du? , wollte Ada spontan fragen, ganz die kleine Schwester, die Rat sucht bei der Älteren. Doch dann sagte sie stattdessen selbstsicher: »Ja. Ja, das finde ich auch.«
Sie stellte die Untertasse auf ihre angezogenen Knie und umschloss die Tasse mit beiden Händen. Dies wäre vielleicht ein Moment gewesen, Grace zu beichten, was sie und Simon im ehemaligen Gärtnerhaus von Estreham miteinander erlebt hatten. Fast so gut wie jener späte Abend im November, als Grace ihr hier, am Kamin dieses Zimmers, anvertraut hatte, Jeremy die Ehe versprochen zu haben. Doch einmal mehr brachte Ada es nicht über sich. Dies war ein Geheimnis, das nur Simon und ihr gehörte, ihnen allein. Ein Geheimnis, das Ada, die Jüngere, sich Grace, der Älteren, näher fühlen ließ, als hätte sie mit einem einzigen großen Schritt die vier Jahre, die zwischen ihnen lagen, beinahe aufgeholt.
Unter gesenkten Lidern sah sie ihre Schwester verstohlen an. Ob Grace und Jeremy vielleicht auch ... Sogleich verwarf Ada diesen Gedanken wieder. Grace war viel zu vernünftig für ein solches Hasardspiel, vielleicht auch zu wenig romantisch veranlagt. Ada hatte den Eindruck gewonnen, Grace ginge immer nur Wagnisse ein, die sie auch einschätzen konnte. Und leichtfertig war Ada zweifellos gewesen. Erst nach und nach war glühend heiß in ihr Bewusstsein gesickert, dass jene Stunden im Gärtnerhaus womöglich Folgen hätten haben können, und sie hatte bange Tage mit zittriger Übelkeit verbracht, bis sich zu ihrer grenzenlosen Erleichterung ihr monatliches Unwohlsein einstellte. Diese angsterfüllten Tage jedoch hatten Ada ebenfalls reifen lassen. Etwas so Wunderbares, etwas so Unerhörtes, Verbotenes gewagt zu haben und nicht dafür bestraft worden zu sein, daraus hatte Ada eine bisher ungekannte Kühnheit gezogen.
Jene Stunden hatten ein solch enges Band zwischen Simon und ihr geknüpft, dass Ada ihn stets in ihrer Nähe spürte, auch wenn ihr Verstand wusste, er war viele Hundert Meilen von ihr entfernt. Sie brauchte sich nicht sonderlich anzustrengen, um Simon vor sich zu sehen, um ihre Sinne noch einmal seine Berührungen nacherleben zu lassen, seinen Geschmack, seinen Geruch, wie frisch geschlagenes Holz und sonnenwarmer Stein. Seine Bewegungen in ihr und wie es sich angefühlt hatte, eins zu sein mit ihm.
»Meinst du, sie kommen bald nach Hause?«, flüsterte sie nun in ihre Tasse hinein.
»Ich weiß es nicht«, entgegnete Grace ebenso leise. »Ich hoffe es.«
22
Cairo, den 22. Februar 1883
Ada, meine Liebste,
ich habe meinen ersten Orden bekommen! Also – nicht nur ich, die anderen auch. Wir alle vom Royal Sussex und auch die anderen Regimenter! Eine Medaille an einem blau-weiß gestreiften Band mit einem geprägten Porträt der Königin vorn drauf und mit der Sphinx auf der Rückseite. Famoses Gefühl! Zu schade nur, dass wir ihn uns im Alltag nicht anheften dürfen – und ich kann’s kaum erwarten, ihn Dir zu zeigen! Obwohl – es ist auch ein seltsames Gefühl, mit einem Orden ausgezeichnet zu werden, ohne jemals auch nur einen Schuss abgefeuert zu haben. So sehr viel haben wir ja bisher noch nicht geleistet. Nicht so richtig jedenfalls. Wohin wir auch kamen, nirgendwo sind wir wirklich auf Widerstand gestoßen. Sei’s drum – den Orden nimmt uns keiner mehr!
Lt. Trafford ist obendrein zum Captain befördert worden. Jetzt schließen wir hier Wetten ab, wer ihm als Lieutenant nachfolgen wird. Stevie, Len und ich haben je fünf Pfund auf Jeremy gesetzt; Jeremy und Royston denselben Betrag auf Len. Ich geb ja zu – ich würde auch Luftsprünge machen über eine Beförderung. Schon allein deshalb, weil – ach, Ada, ich sehne mich so sehr nach Dir! Ich weiß nicht, wie ich es noch länger aushalten soll ohne Dich. Aber ich bleibe tapfer, versprochen!
Und schreib mir, wie Dein Vortrag war – ich denke ganz fest an Dich, ich weiß, dass Du das schaffst!
Für jeden Kuss aus Deinem letzten Brief schicke ich Dir zwei zurück – oder besser gleich drei! So viele Du willst!
In Liebe,
Dein Simon!
Einem lockenden Summen gleich hoben die Stimmen der Muezzine an,
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