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Jenseits des Protokolls

Jenseits des Protokolls

Titel: Jenseits des Protokolls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Wulff , Nicole Maibaum
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unterm Strich zählte das Ergebnis: Christian war zum zehnten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. Ich wusste, dass er damit an diesem Mittwoch, dem 30. Juni 2010, am Ziel seiner Träume war. Und ich, ich war plötzlich die – wie von der Presse so oft geschrieben – bis dahin »jüngste First Lady« des Landes. In dem Moment konnte ich das weder realisieren noch einordnen.
    Auch einige Stunden später, am nächsten Morgen, gelang mir dies noch nicht. Die Stunden vergingen zu schnell und in diesen Tagen passierte viel zu viel, um es in den wenigen Augenblicken zu begreifen. Am Montag, 28. Juni 2010, waren Christian und ich noch in Berlin abends die Gastgeber für das Sommerfest der Landesvertretung Niedersachsen gewesen. Am Mittwoch, 30. Juni, wurde Christian zum Bundespräsidenten gewählt. Am Freitag, 2. Juli, folgten seine Vereidigung und abends wieder ein Fest, bei dem wir die Gastgeber waren. Der Ort war aber nun das Schloss Bellevue und es war das Sommerfest des Bundespräsidenten. Es war irre heiß, knapp über 30 Grad. 5000 Gäste schwirrten um mich herum, 65 Köche, 200 Servicekräfte, an die 300 Künstler, darunter auch Rocksänger Peter Maffay – Zahlen und Namen, die ich am nächsten Tag in der Presse las. Ich selbst nahm all das um mich herum noch gar nicht wirklich wahr. Ich schüttelte quasi im Minutentakt irgendeine Hand, lächelte und kam mir bei alledem ein wenig vor wie eine Statistin bei dem Dreh für einen großen Kinofilm.
    Der Alltag als Bundespräsident holte Christian schnell ein. Er wohnte die ersten Tage zunächst weiter in dem Hotel in Berlin, zog dann aber um in die Zweizimmerwohnung im Schloss Bellevue, absolvierte Antrittsbesuche in Polen, Österreich und Frankreich und reiste zur Fußballweltmeisterschaft nach Südafrika. Zwar war über Christian natürlich bereits als Ministerpräsident viel berichtet worden, dies aber mehr in der regionalen Presse. Ihn nun permanent in den gesamten Printmedien und auch verstärkt im Fernsehen zu sehen, war ebenso gewöhnungsbedürftig wie die Tatsache, dass plötzlich andere Menschen, völlig fremde Menschen, meinen Mann als »Herr Bundespräsident« ansprachen.
    Ich musste mich in diesen Alltag hineinleben, und das ging nicht von heute auf morgen, auch wenn es das Protokoll im Grunde so vorsah. Doch ich konnte nicht binnen weniger Tagen mein komplettes Leben umkrempeln und ich wollte es auch nicht. So habe ich die folgenden vier Wochen noch bei Rossmann gearbeitet. Für wichtige Termine wie etwa den Antrittsbesuch in Belgien, nahm ich mir frei. Erst Ende Juli verabschiedete ich mich von meinen Arbeitskollegen und es fiel mir wahrlich nicht leicht. Aber viel Zeit, darüber nachzudenken, gab es einfach nicht.
    Wenn es eine Veranstaltung gab, wie zum Beispiel am Montag, 2. August, die Trauerzeremonie zur Love-Parade in Duisburg, bei der auch ich anwesend sein sollte, stand ich frühmorgens gegen 5.30 Uhr auf, las mich fix noch in ein paar Unterlagen zu dem Termin ein, weckte gegen 7 Uhr Leander und Linus und machte wenige Minuten später meiner Mutter die Haustür auf. Sie kümmerte sich dann um das Frühstück für die Jungs, während ich mich in ein Kostüm oder einen Hosenanzug zwängte, schminkte, um dann wiederum einige Minuten später in den Zug oder das Auto zu steigen und Richtung Berlin zu fahren. Dann ging es im Flieger Richtung Duisburg, vor Ort Hände schütteln, Posieren für die Fotografen, ein wenig Small Talk, und schon ging es nachmittags wieder zurück in den Alltag nach Großburgwedel. Dort warteten nicht nur Leander und Linus, um vom Hort beziehungsweise von der Kita abgeholt zu werden, sondern auch ein kompletter Haushalt. Denn unsere Haushaltshilfe hatte einige Wochen zuvor verkündet, sie sei schwanger. Also wischte die Frau, die wenige Stunden zuvor noch irgendwelche Ministerpräsidenten oder Staatshäupter anderer Länder begrüßt hatte, schnell noch Staub, räumte die Spülmaschine ein, saugte durchs Wohnzimmer, stellte gegen 19 Uhr den Söhnen ein Abendbrot auf den Tisch, um sie dann gut eine Stunde später ins Bett zu bringen und ihnen noch eine Gutenachtgeschichte vorzulesen.
    Ich fühlte mich total überlastet. So gern ich für diese paar Stunden in Berlin war und mir dies Spaß machte, weil es etwas Neues war, so sehr war es auch ein Wandel zwischen den Welten, der an meine Substanz ging. Das Dasein als Gattin des Bundespräsidenten, es war total abgekoppelt von dem Leben, das Leander,

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