Jenseits des Protokolls
Jungen starkmacht – sprich: ganz normale Frauen, die so viel von ihrer Freizeit geben, um sich in Kinder- und Jugendprojekten zu engagieren, werden nicht beachtet und müssen häufig um jeden Euro Unterstützung kämpfen. Aber als Gattin des höchsten Politikers im Lande investiert man etwas von seiner Zeit, nimmt Journalisten und Fotografen mit, spricht über das, was man tut und worum es geht, und die Menschen spenden. Anfangs habe ich mich noch über diese Ungerechtigkeit aufgeregt. Dann aber sagte ich mir: »Ist halt so. Daran werde ich leider nichts ändern können, aber ich kann es nutzen. Und das werde ich tun.«
Und ich habe es sehr gerne getan, denn es sind die ganz tollen, positiven Seiten für eine Frau des Bundespräsidenten. Man sieht, dass man etwas erreicht und dass man etwas bewirken kann. Umso mehr tat es gut zu erfahren, dass sowohl die Verantwortlichen der beiden Stiftungen wie aber auch Zuständige anderer Vereine während der gesamten Wochen, in denen mein Mann und ich die deutsche Medienberichterstattung nahezu beherrschten, zu mir standen. Auch als Christian zurückgetreten war, schrieben mir alle, wie bestürzt sie seien. Und das waren keine Floskeln oder abgedroschenen Phrasen. Das Mitgefühl war aufrichtig und es tat sehr gut zu wissen, dass ich für diese Menschen die ganze Zeit über nicht nur die »Frau von …« gewesen war, sondern eben auch einfach »Bettina Wulff«. Eine Bestätigung dafür sehe ich an der Tatsache, dass sowohl die Stiftung »Eine Chance für Kinder« wie auch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung an mir als Schirmherrin beziehungsweise Botschafterin festhält. Das freut mich ungemein, denn wir haben wirklich etwas zusammen aufgebaut.
Ich will das gar nicht herunterspielen: Es war und ist schon ein ziemlich harter Schnitt. Nicht nur für mich, sondern auch für die Vereine und Verbände. Zum Beispiel hatte ich erst wenige Tage vor Christians Rücktritt, Ende Januar 2012, einen neuen Film für das Müttergenesungswerk gedreht. Eine Institution, die mir sehr am Herzen liegt. Ich hatte drei Einrichtungen besucht, mich mit Müttern unterhalten, die das erste Mal dort waren. Und ich denke schon, es ist etwas anderes, wenn ich mich als Mutter von zwei kleinen Kindern, selbst berufstätig und früher alleinerziehend, für die Belange von Müttern einsetze, als wenn es jemand tut, der bereits erwachsene Kinder hat. Ich habe eine aktuelle Sicht auf die Dinge. Das ist einfach eine Tatsache. So meine ich schon, dass wir auf einem guten Weg waren, ein paar Dinge zu verändern und dem doch etwas verstaubten Image dieser traditionsreichen Stiftung ein modernes Gesicht zu geben. Jedenfalls bedauerten es auch einige Mitarbeiterinnen des Müttergenesungswerkes, dass dieser Schwung, der da aufkam, abrupt zu Ende war.
Denn ganz egal, was wird – die Vereine und Organisationen müssen sich neu orientieren, an jemand Neues gewöhnen. Und es ist immer ungewiss: Übernimmt die Frau des nachfolgenden Bundespräsidenten das Engagement wirklich oder wird sie sich vielleicht für völlig konträre Themenbereiche starkmachen? Christina Rau hat sich neben anderem beispielsweise ja auch für Organtransplantierte engagiert, Eva Luise Köhler für seltene chronische Krankheiten und ich mich dann für Kinder und Jugendliche. Jede wählt nun einmal Schwerpunkte nach ihren Interessen, nach ihrer Überzeugung. Für die Vereine und Verbände aber finde ich es äußerst bedauerlich, wenn nicht sogar existenziell bedrohlich. Denn mit dem jeweiligen Verschwinden einer Bundespräsidentengattin aus der Öffentlichkeit und aus dem Fokus der Medien verschwinden auch sie ein Stück weit aus dem Blickfeld der Bevölkerung. Für viele von ihnen heißt es dann wieder »Zurück auf Start« …
11 Die Kinder
Was wird mein Sohn Leander später einmal, als Jugendlicher oder Erwachsener, zu mir sagen? Auch mein Sohn Linus. Werden die beiden mir Vorwürfe machen, dass ich einfach über ihre Köpfe hinweg entschieden habe? Werden sie sagen, dass ich zu wenig an ihr Wohl dachte? Dass ich auch in zu vielen Momenten nicht die Mutter war, die sie vielleicht gebraucht hätten? Ich frage mich häufig, welche Spuren all das Erlebte bei den zwei Jungs hinterlassen wird.
Als selbstständige, selbstbestimmte und erwachsene Frau habe ich mich gemeinsam mit meinem Mann bewusst dazu entschlossen, dass er das Amt des Bundespräsidenten wahrnimmt und wir dafür nach Berlin gehen. Aber als Kind, als Leander und als Linus –
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