Jenseits des Protokolls
wenn man sich wie Christian bereits seit Jahrzehnten in einem gewissen politischen Umfeld bewegt, sich da neue persönliche Freundschaften bilden können? Dies sowohl zu Großindustriellen und Unternehmern, aber auch zu Blumenhändlern, Bäckern und Lehrern, weil man als Ministerpräsident durch das Bundesland tourt und auf die verschiedensten Menschen trifft.
Ebenso schwierig ist die Kontrolle eigentlich zwangsläufiger und nahezu menschlicher Reaktionen. Lehnt man zum Beispiel dankend ab, wenn man, wie wir am 20. Dezember 2009, am Check-in auf dem Flughafen steht, kurz vor einem gut neunstündigen Flug von Düsseldorf nach Miami, am Hosenbein zupfend ein quengelndes Kleinkind, und eröffnet bekommt, dass es statt wie gebucht in der Economyclass noch freie Plätze in der Businessclass gebe und man diese nutzen könne? Sagt man da etwa Nein? Vielleicht hätten wir es tun sollen. Es stimmt, dass ich mich mit dem ehemaligen Air-Berlin-Chef auf dessen Geburtstagsparty im September 2009 über unseren geplanten Urlaub in Miami unterhalten habe. Auch auf einer Veranstaltung Anfang Dezember 2009, bei der Christian und ich den damaligen Air-Berlin-Chef trafen, kam der Urlaub erneut zur Sprache. Wie man dies halt so tut von wegen »Na, was machen Sie denn über Weihnachten?«. Ich wusste aber nicht, dass der Air-Berlin-Chef daraufhin für uns ein Upgrade veranlasste. Als die Debatte im niedersächsischen Landtag dazu aufkam, hat Christian das Upgrade bezahlt.
Jeden Tag die Zeitung aufzuschlagen, das Radio oder den Fernseher anzuschalten und dort irgendetwas Negatives über sich zu lesen und zu hören, das zehrte mächtig an den Nerven. Denn irgendwann gab es ja kein Halten mehr. So kam denn auch die Anschuldigung auf, ich habe ein Auto, einen Audi Q3, angeblich schon gefahren, bevor das Modell auf dem Markt war, und dies auch noch kostenlos. Als ich davon las, habe ich wirklich nach Luft geschnappt. Ganz ähnlich wie bei den Gerüchten zu meiner vermeintlichen Vergangenheit im Rotlichtmilieu, dazu im nächsten Kapitel Ausführlicheres, dachte ich nur: »Warum machen die das? Was soll das?« Das Fatale ist ja wirklich, wenn einmal etwas in der Zeitung stand, ist es schwer, das Behauptete aus den Köpfen der Menschen wieder herauszubekommen. Zumal die Berichte über angebliche Vergehen in der Regel immer sehr viel mehr Raum bekommen als später die Gegendarstellungen. So etwas drucken die Zeitungen natürlich nicht gerne ab. Ich fand es nahezu absurd und auch anstrengend, dass ich für die Wahrheit vor Gericht ziehen musste. Aber es war für mich eine Unverschämtheit, dass erneut Unwahrheiten über mich verbreitet wurden. So wie es auch in einem Schreiben unseres Anwalts hieß, werfe ich den Zeitungen in puncto Audi Q3 eine »gezielte Falschberichterstattung« vor. Ich habe im Sommer 2011 keinen Audi Q3 gefahren, sondern einen Skoda Yeti. Den Audi fuhr ich ab dem 22. Dezember 2011 bis zum 23. Januar 2012, und dies zu den marktüblichen Konditionen, wie auch seitens der Audi-Zentrale in Ingolstadt erklärt wurde. Dass ich den Wagen dann am 23. Januar 2012 zurückgegeben habe, liegt schlicht und einfach daran, dass ich weder die Lust, noch die Nerven hatte, mich weiteren Anschuldigungen zu möglichen Vergehen auszusetzen.
Auch wenn darüber eben schließlich kaum etwas zu lesen war und die Vorwürfe bezüglich des Audi Q3 in den Köpfen vieler Menschen wohl weiter herumgeistern, tat es meinem Seelenheil und meinem Ego gut, vom Gericht und der Staatsanwaltschaft Recht zugesprochen zu bekommen.
Es war schon ein sehr seltsames, auch bedrückendes Gefühl, von Menschen, die man nicht kennt, die man noch nie gesehen hat, mit denen man noch nie ein Wort gesprochen hat, derart mit Vorwürfen konfrontiert zu werden und zu wissen, dass sie einen als, sagen wir, Betrügerin ansehen. Dass sie einem Habgier, ja sogar Heimtücke unterstellen. Warum ist das geschehen? Aus Böswilligkeit? Es hat mich regelrecht angewidert. Auch weil da Themen auf den Tisch kamen, bei denen ich mich fragte, ob es wirklich nichts Wichtigeres gab, worüber man berichten sollte. Scheinbar gab es das nicht, und so mussten die Kleider, die ich bei offiziellen Anlässen getragen habe, für weitere Anschuldigungen herhalten. Es stimmt, dass ich mehrmals Outfits deutscher Modehersteller als Leihgabe erhalten habe. Einige wenige Kleider wurden auch kostenlos zur Verfügung gestellt. Diesen geldwerten Vorteil aber haben wir in unserer Steuererklärung angegeben.
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