Jenseits des Spiegels
ein. Dieser Schnabel war verflucht scharf, und auch die Krallen waren nicht von schlechten Eltern. Nein, hier hinten stand ich ganz gut.
Recep machte sich an der Satteltasche des Greifs zu schaffen, zog nach einigem Fummeln einen dicken Batzen Akten heraus, und kam damit dann zu uns. „Das hier sind Kopien, von den eigentlichen Akten.“
Kovu neben mir war so aufgeregt, dass er praktisch von einem Bein aufs andere hüpfte. Ich konnte seine erwartungsvolle Unruhe spüren, und auch wenn es mir kaum anders ging, hätte ich ihm am liebsten angefahren, damit aufzuhören. Es machte mich nämlich noch nervöser.
„Niemand weiß, dass ich sie euch gebe, und ich erwarte, dass das auch so bleibt.“
Schon klar, wahrscheinlich würde er seinen Job verlieren, wenn das rauskäme.
„Wenn ihr etwas findet, das uns entgangen ist, erwarte ich, dass ihr mir das sagt.“
Holla, der war ja drauf. Wäre es wirklich zu viel gewesen, aus dem Befehlt eine Bitte zu machen? So wie er mich ansah, ein definitives Ja. „Natürlich tun wir das.“ Was anders wäre mir im Augenblick gar nicht in den Sinn gekommen zu sagen, nicht so wie er mich mit seinen Blicken praktisch aufspießte. Der Kerl war echt unheimlich.
„Du wirst mir die Akten wieder aushändigen, egal ob sie euch weitergebracht haben, oder nicht.“ Unter seinem Blick musste ich mich stark zusammenreißen, um nicht schreiend davon zu laufen. Was war nur mit diesem Kerl los? „Ich tu das nur, weil Djenan mich darum gebeten hat, und er glaubt, dass ein Lykaner etwas finden könnte, was uns zur Klärungen dieser Fälle helfen könnte.“
„Ihr glaubt also immer noch nicht, dass es da einen Zusammenhang geben könnte?“, wagte ich zu fragen.
Ich bekam keine Antwort, dafür aber einen Satz Akten, der so schwer war, dass ich beinahe in die Knie ging.
Recep nickte mir noch einmal zu, dann wandte er sich um, und machte seinen Greif vom Pfahl los. Ich wartete nicht, bis er weg war, dafür war ich einfach zu neugierig. Seit fünf Tagen waren wir in der Stadt, und das einzige was wir bisher herausgefunden hatten, war, das es in Sternheim keine Spur gab, die auf die verschwundenen und getöteten Lykaner hindeutete. Diese Akten waren das erste Handfeste, was wir bekommen hatten, und ich wollte keine Sekunde mehr damit verschwenden, doof in der Gegend rumzustehen. Schon heute Nachmittag würden wir aufbrechen, um uns morgen mit den anderen Rudeln zu treffen, da blieb keine Zeit mehr, die wir unnötig verschwenden konnten. Hier und jetzt war Eile geboten. So drehte ich mich einfach herum, und ging an Kovus Seite zurück ins Haus.
Neugierig blickte er immer wieder auf die Papiere, die ich an meine Brust drückte. Er war genauso gespannt wie ich. Vielleicht hielt gerade in diesem Augenblick den Schlüssel in der Hand, um Isla zu finden – und auch die anderen Verschwundenen.
An der Haustür erhaschte ich noch einen letzten Blick auf Recep, wie er gerade auf seinem Greif davonritt. Wie hatte Djenan es nur geschafft, ihn dazu zu bewegen, uns die Akten zu geben? Der Kerl wirkte nicht gerade, als wolle er seinen Mitmenschen helfen, eher so, als wolle er sie alle vom nächsten Hochhaus schubsen. Wie kam so jemand nur dazu Wächter zu werden? War ja auch egal, ging mich nichts an. Ich hatte die Akten, und nur das zählte im Moment, alles andere konnte warten.
Meine Gedanken flossen nur so dahin, als ich durch den Korridor eilte.
„Hoffentlich werden wir nicht vom Hausherrn erwischt“, sagte Kovu unvermittelt.
Erschrocken sah ich ihn an. Daran hatte ich ja noch gar nicht gedacht. „Mal doch den Teufel nicht an die Wand.“ Sicherheitshalber sah ich mich beim Laufen um, als würde Anwar gleich hinter der nächsten Ecke hervorspringen, und „Buh!“, rufen. Man, von dem wollte ich jetzt auf keinen Fall erwischt werden.
„Warum sollte ich die Wand anmalen?“
Oh man. „Das sagt man nur so.“
Wir bogen um die Ecke, und ich bekam fast ein Herzstillstand, als ich das Hausmädchen beim Staubwischen sah, aber sie beachtete uns gar nicht, staubte einfach die ausgestopften Tierköpfe an der Wand ab, und summte dabei leise ein Lied. Klasse, jetzt hatte Kovu es geschafft, ich war paranoid.
Kopfschüttelnd eilte ich an dem Mädchen vorbei. Das Zimmer der Lykaner erreichten wir zwei Minuten später. Da ich die Hände voll hatte, öffnete Kovu mir die Tür. Augenblicklich waren vier paar Augen auf mich gerichtet, auch die von Veith, was mein Herz einen seltsamen Hüpfer machen ließ. Er
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