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Jenseits des Spiegels

Jenseits des Spiegels

Titel: Jenseits des Spiegels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Markstoller
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einem das Teilen von Essen angeboten wird?“ Irgendwie war mir das in diesem Moment wichtig. Wenn das so Sitte war, dann konnte ich Pals Verhalten vielleicht noch nachvollziehen, aber wenn nicht … darüber wollte ich nicht näher nachdenken. Ich mochte Pal, das schon, aber ob da mehr war? Ich wusste es nicht.
    Zu meiner Bestürzung schüttelte Kovu den Kopf. „Nein, nur wenn man das auch will. Ich würde niemals mit jemanden teilen, denn ich nicht näher kommen möchte. Außer mit einem Welpen, aber das ist etwas anderes.“
    Und noch mal: „Scheiße.“
    Kovu neigte den Kopf zur Seite. „Sagst du mir jetzt was los ist, oder …“
    Ohne anklopfen ging die Tür zu meinem Zimmer auf, und Pal erschien mit einem Teller voller Hawaii Toast im Türrahmen.
    Oh nein, bitte nicht.
    Unschlüssig stand er da, wusste nicht ob vor oder zurück. Ich konnte es ihm nachvollziehen, fühlte ich mich im Augenblick doch genauso unsicher. Er seufzte. „Talita, wegen eben …“
    „Ich wusste nicht, was es bedeutet“, unterbrach ich ihn. „Ich hätte es nicht angeboten, wenn ich es gewusst hätte.“ Ich biss mir auf die Lippe, das hatte sich jetzt irgendwie angehört, als würde ich den Fast-Kuss bereuen – was ja auch so war – nur nicht so wie er das verstehen würde. „Was ich damit meine, wir sind Freunde …“ Hoffte ich zumindest. „… und ich wollte dich nicht auf falsche Gedanken bringen. Ich … ach Mist, ich will nicht das du das Falsche denkst, aber dass du nicht abgelehnt hast, ich …“ Verfluchter Dreck, wie sollte ich das nur ausdrücken, ohne ihn vollkommen vor den Kopf zu stoßen?
    Pal grinste schelmisch. „Mach dir darüber keine Gedanken.“
    „Aber …“
    „Du hast es mir angeboten.“ Jetzt grinste er eindeutig. „Und ich war neugierig, weiter steckt nichts dahinter.“
    Ich sah auf. Meinte er das ernst? „Wirklich?“
    „Wirklich.“ Er schloss die Tür von innen, und kletterte samt Teller zu mir und Kovu ins Bett, ließ sich hinter uns in den Schneidersitz fallen. „Du brauchst dir also keinen Kopf darum zu machen, in Ordnung?“ Irgendwie wirkte sein halbes Lächeln ein wenig verkrampft, und erreichte seine Augen nicht, was mich an der Glaubwürdigkeit seiner Worte zweifeln ließ. Aber in diesem Moment hielt ich es für besser, die Sache einfach auf sich beruhen zu lassen. Er reichte mir einen Ausweg aus dieser Situation, und ich griff mit beiden Händen zu. So war es am einfachsten.
    „In Ordnung.“ Ich nahm mir das oberste Brot, versuchte gute Miene zum bösen Spiel zu machen, denn irgendwie waren seine Worte auch nicht das gewesen, was ich hören wollte. Was war nur mit mir los? Hätte es mir besser gefallen, wenn es anders gewesen wäre? Mist, mit achtundsechzig Tagen Lebenserfahren kam ich mit diesem Problem einfach nicht klar. Ich sollte mir dringend eine Kummerkastentante anschaffen. Vielleicht würde Catlin sich ja für den Posten bereiterklären, obwohl es dann durchaus passieren könnte, dass ich anschließend pinkfarbene Haare hatte, und trotzdem keinen blassen Schimmer, wie ich mich verhalten sollte. Ich brauchte unbedingt meine Erinnerungen zurück.
    Kovu sah wissend zwischen Pal und mir hin und her, und schnappte sich auch ein warmes Brot, bevor Pal den Teller vor ihm in Sicherheit bringen konnte. „Ich glaube langsam, dass ich weiß was hier los ist.“
    „Halt dich da raus, Grünschnabel“, sagte Pal, und biss in sein eigenes Toast Hawaii. „Hmmm …“, machte er, und verdrehte genussvoll die Augen, was mich kichern ließ. „Das ist der Wahnsinn.“
    „Nun übertreib mal nicht“, tadelte ich milde, und biss in meine eigenes. Oh Gott, das war wirklich gut. Damit hätte ich niemals gerechnet.
    Nach einem Bissen war es eine beschlossene Sache, wir würden den anderen nichts abgeben. Wenn man sowas zwischen die Zähne bekam, musste man halt mal etwas egoistisch sein.
    Zu dritt räumten wir den Teller leer – um das letzte Brot prügelten wir drei uns fast –, und legten uns dann in meinem Bett schlafen. Zwischen Kovu und Pal kuschelte ich mich in die Matratze – der Schwächste schlief schließlich immer in der Mitte –, und zum ersten Mal seit ich die Lykaner kannte, war mir so viel Nähe nicht unangenehm. Nein, ich genoss es einfach nur die beiden bei mir zu haben. Wenn auch nur für einen Nacht.
    Ich war nicht allein.
     
    °°°°°

Tag 70
    Als es an der Tür klopfte, versuchte ich es einfach zu ignorieren. Zum Aufstehen war es definitiv noch viel zu früh.

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