Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Spiegels

Jenseits des Spiegels

Titel: Jenseits des Spiegels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Markstoller
Vom Netzwerk:
hatte mich seit Tagen nicht mehr angesehen, jedenfalls nicht länger als er für einen kurzen abschätzenden Blick brauchte. Aber nun lagen seine Augen ungewandt auf mir.
    Ich tadelte mich innerlich dafür, dass mich ein einfacher Augenkontakt so freute, und ließ mich zu Tyge und Julica auf das Bettenlager am Boden fallen.
    „Sind sie das?“, fragte Julica unnötigerweise.
    Kovu schloss die Tür. „Nein, Talita läuft immer mit einem Haufen Altpapier durch die Gegend.“
    Ich verkniff es mir, etwas dazu zu sagen, und reichte die Akten stattdessen an Tyge weiter. „Das sind nur Kopien, und wir müssen sie zurückgeben, wenn wir damit fertig sind.“
    Pal rutschte vom Bett herunter neben mich. Dabei landete seine Hand auf meinem Bein. Es kümmerte mich nicht, von den letzten Tagen war ich das mehr als gewöhnt. Wenn man schlafen konnte, wenn einem ein Werwolf auf dem Rücken lag, dann war das ja wohl wirklich nur eine nebensächliche Kleinigkeit, der man keiner weiteren Beachtung schenken musste.
    „Ich schlage vor, jeder nimmt sich einen Stapel“, sagte Veith, und ließ sich neben Pal nieder. „Und anschließend vergleichen wir die Informationen.“
    Tyge nickte, als Kovu sich zwischen mir und Julica quetschte. Der Kleine war der erste, der sich eine Akte aus unserer Mitte fischte.
    Veith beugte sich zu ihm rüber, und riss sie ihm wieder aus der Hand.
    „Hey!“
    Veith kniff die Augen zusammen. „Was glaubst du, was du da tust?“
    „Ich sehe mir die Akten an, damit …“
    „Du siehst dir gar nichts an“, unterbrach Julica ihn rüde. „Du dürftest eigentlich gar nicht hier sein.“
    Ich kümmerte mich nicht weiter um das kleine Geplänkel, dass nach kurzer Zeit von Tyge durch ein leises „Ruhe“, beendet wurde, sondern machte mich meinerseits daran, mich in die Akten zu vertiefen.
    Die erste die mir in die Hände fiel, war von einer jungen, rothaarigen Frau.
    Lirana.
    Laut der Akte zählte sie siebenundzwanzig Jahre, und stammte aus dem Felswolfrudel. Sie wurde seit fast drei Monaten vermisst, ist von einem Spaziergang einfach nicht mehr wiedergekommen. Erst Stunden später hatte ihr Rudel ihre Abwesenheit bemerkt, und war ihrer Fährte bis kurz vor den Rand des Territoriums gefolgt. Da hatte sich ihr Geruch einfach in Luft ausgelöst, und war von dem nach Katze ersetz worden. An einer Stelle hatte man orangenes Fell gefunden, aber der Geruch daran war verwirrend gewesen, sowohl Katze, als auch Wolf.
    Schon auf den ersten Blick war mir klar, dass die Parallelen zu dem Verschwinden von Isla nicht von der Hand zu weisen waren. Wie also war es möglich, dass die Wächter das nicht auch so sahen? War Anwars Machteinfluss wirklich so groß, dass ein einziges Wort von ihm reichte, und sie die Sache einfach so übergingen?
    Bei dem Gedanken bekam ich ein ganz mulmiges Gefühl. Wie sollten wir dem Kerl so etwas nachweiten? Das würde noch schwerer werden, als bisher gedacht.
    Als ich nach der nächsten Akte griff, rutschte Kovu hinter mich, um über meine Schulter einen Blick auf die Papiere zu werfen. Wenn er sie sich schon nicht selber in die Hand nehmen durfte, dann würde er sie sich eben so ansehen.
    Ich ignorierte ihn einfach, auch als er seine Arme um meinen Bauch schlang. Er war wohl der einzige von den Wölfen, bei dem ich dieses Angstgefühl vor Berührungen einfach so abschalten konnte. Vielleicht weil er noch ein Welpe war, auch wenn die knapp drei Jahre die uns unterschieden, nicht wirklich viel waren. Es war nicht nur sein Status im Rudel, sondern auch seine kindlich, verspielte Art. Er war einfach … Kovu.
    In der zweiten Akte fand ich ein Foto – oder besser gesagt, ein Porträt, denn die Bilder hier waren alle gemalt, zwar sehr detailliert, aber dennoch gemalt. Hier war die Rede von einem der vermissten Einzelläufer. Ein Mann um die vierzig. Saphrir wurde er genannt. Eine Freundin hatte ihn als vermisst gemeldet, als er nicht zu ihrem wöchentlichen Spieleabend aufgetaucht war. Sie bestand darauf, dass er ihn noch nie hatte ausfallen lassen, jedenfalls nicht ohne sich bei ihr zu melden, und abzusagen. Das war jetzt fast drei Wochen her. Ein Vermerk wies mich darauf hin, dass diese Frau sich fast täglich bei den Wächtern meldete, in der Hoffnung, dass sie ihn gefunden hätten. Das war deutlich, er war also bis heute nicht wieder aufgetaucht.
    Vielleicht würde es Sinn machen, sich mit dieser Frau in Verbindung zu setzen. Es könnte doch sein, dass sie noch weitere Informationen hatte.

Weitere Kostenlose Bücher