Jenseits des Spiegels
Zusammen mit meinem Schrei jaulte der große Rote auf, als er von dem Feuer an der Schnauze und Seite getroffen wurde.
Ich riss mich von Kovu los, der noch versuchte mich festzuhalten, und stürzte nach vorne zu Pal. Der Drache stieß in seinem Todeskampf wimmernde Laute aus. Ein paar andere Lykaner rannten zusammen mit mir nach vorne, holten die verzauberten Wölfe aus der Gefahrenzone, oder rissen die verbliebenden Tiere von dem Drachen herunter.
Ich packte Pal an Rute und Hinterlauf, und zog ihn weg. Mir war es egal, ob ihn das im Moment wehtat, ich wollte ich einfach nur aus der Reichweite dieses grünen, schuppigen Riesens haben. In seiner Verwirrung versuchte er nach mir zu schnappen, aber er kam nicht weit genug herum, ohne sich selber wehzutun.
Mit leisen Worten, versuchte ich ihn zu beruhigen, als ich ihn an der Rand der Lichtung zerrte, um ihn aus dem Chaos rauszuhalten. Kurz vor meinem Ziel war Veith an meiner Seite. Er blutete stark aus einer Wunde am Arm, die er aber nicht weiter beachtete, als er Pals schweren Leib hochhievte, und ihn das Stück bis an den Rand trug, wo er ihn behutsam zurück auf den Boden gleiten ließ.
Ich stürzte so schnell an seine Seite, dass ich mit die Knie aufschlug, und sich kleine Steinchen durch meine Haut bohrten. Ich merkte es kaum, genauso wenig wie ich merkte, dass meine Magie ohne mein Zutun von mir abfloss, und sich in den Kern in meinem Inneren zurückzog. Alles um mich herum wurde ausgeblendet, ich hatte nur noch Augen für den roten Riesen.
„Wir haben dich gefunden. Bleib ganz ruhig, jetzt wird alles gut.“ Ich wollte ihm über den Kopf streichen, wusste aber gar nicht, wo ich ihn berühren konnte. Die eine Hälfte seines Gesichtes war verbrannt, da war kein Fell mehr, und die Haut darunter schlug Basen. „Scheiße.“ Das sah so schlimm aus. „Bitte, mach die Augen auf, bitte.“
„Pal.“ Veith hockte sich an seine Seite, und legte ihm eine Hand auf den bebenden Rücken. „Komm schon, du bist jetzt in Sicherheit.“
„Bitte, Pal.“ Meine Augen begannen zu brennen. Ich durfte nicht zu spät sein, bitte nicht. „Pal, bitte“, flehte ich, „tu mir das nicht an.“ Eine Träne fiel auf seine Nase, und im gleichen Moment überlief seinen Körper ein Zittern, das seine Verwandlung ankündigte. Nur wenige Sekunden später lag er als Mensch neben mir. Überall war Blut, sein ganzer Körper war geschunden, doch die Brandverletzungen im Gesicht, und an Schulter und Arm, waren wohl das Schlimmste. Sein Atem ging schwach, und er hatte Mühe die Augen zu öffnen, aber er tat es, und blickte genau in meine. In ihnen lag ein Schmerz, der mit keinem Wort beschrieben werden konnte. Gebrochen, ausgenutzt, verzweifelt.
Er sah mich einfach nur an. „Du bist hier.“
Nun fanden meinen Tränen keinen Halt mehr. Langsam, eine nach der anderen floss mir übers Gesicht, und tropfte dann zu Boden. „Natürlich bin ich hier, du Dummkopf. Oder hast du etwa geglaubt, dass ich dich einfach im Stich lassen würde?
„Das ist gut“, sagte er schwach, und flatternd schlossen sich seine Lieder.
Eine übermenschliche Panik überkam mich. Dieser Moment erinnerte mich nur zu genau an den jungen Mann, für den ich nichts weiter hatte tun können, als an seiner Seite zu hocken, und zuzusehen, wie er starb. Das durfte nicht noch mal passieren, bitte, nein. „Oh Gott Pal, Pal! Stirb nicht, hast du verstanden?“ Ich rutschte näher heran. Meine Hände strichen fahrig über jedes Stück unversehrter Haut, die ich erreichen konnte. „Du darfst nicht sterben, ich brauche dich doch!“
Mit unmenschlicher Anstrengung hob er seine Hand an meine Wange, und strich mit dem Daumen meine Tränen weg, doch es brachte nichts, da kamen immer mehr. „Wein nicht, Talita.“ Seine Stimme war schwach, viel zu schwach.
„Aber … oh Gott, du musst bei mir bleiben, du darfst mich nicht verlassen.“ Die Tränen wollten einfach nicht versiegen, nicht mal auf seine Bitte hin konnte ich sie stoppen. Ich hockte neben ihm, schluchze, und hoffte auf ein Wunder. Meine Hände waren mit seinem Blut verschmiert. Es war so viel Blut, wo kam das nur alles her?
„Du bist wunderschön, weißt du das eigentlich?“ Er lächelte verkniffen. „Schade dass du nur Augen für diesen Idioten Veith hast.“ Er drehte den Kopf. „Nichts für ungut.“
Veith kniff die Lippen zusammen.
Wie kam er denn jetzt auf so einen Schwachsinn? „Nein, da täuschst du dich, ich sehe auch dich“, versicherte ich ihm.
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