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Jenseits des Spiegels

Jenseits des Spiegels

Titel: Jenseits des Spiegels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Markstoller
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fehlte.
    Mir wurde klar, dass wir abgefangen worden waren, bevor wir Erion erreichen konnten. Diese Wölfe hatten auf  uns gelauert – oder auf jede andere Bedrohung, die Erions Pläne zum Scheitern bringen konnten –, und wir waren genau in ihren Hinterhalt gelaufen.
    Ein weiteres ohrenbetäubendes Brüllen erschütterte den Wald. Noch lebte der Drache, noch hatten wir nicht versagt, obwohl die Betonung hier auf dem
noch
lag.
    Die Wölfe starben vor meinen Augen, und ich konnte nichts dagegen unternehmen. Erions Wölfe waren grausam, blutrünstig, und machten mit allem und jedem kurzen Prozess. Kein Zögern, kein Zaudern.
    Ein paar Meter neben mir lag ein Mann, nach der Hautfarbe ein Wolf vom Landsitzerrudel. Sein Gesicht war blutig, die Schulter aufgerissen, und sein Bauch … oh Gott, ich wagte es nicht so genau hinzusehen. In seinen Augen stand die nackte Panik. Er würde sterben. Nicht einmal ein Werwolf konnte mit solchen Verletzungen überleben.
    Ich hatte keine Ahnung was ich tun sollte, aber ich konnte ihn nicht alleine dort liegen lassen. Also nahm ich all meine Kraft zusammen, kroch an seine Seite, und nahm seine Hand. Er drückte sie so fest, dass ich vor Schmerz beinahe gestöhnt hätte.  Aus seiner Kehle kamen gurgelnde Laute, als er versuche zu sprechen.
    Ich versuchte die Blutungen mit der freien Hand zu stillen, aber es ging nicht. „Ganz …“ krächzte ich, schluckte, und versuchte es erneut. „Ganz ruhig, alles wird gut.“
    Er brauchte nicht antworten, er wusste genauso gut wie ich, dass das nicht stimmte. „Alles wird wieder …“ Mir versagte die Stimme, und ich merkte erst, dass mir die Tränen über die Wangen liefen, als er mit den Lippen die Worte „Nicht weinen“ formte.
    Scheiße, scheiße,
scheiße
! Da war so viel Blut, wo kam nur das ganze Blut her? „Ich weiß nicht was ich tun soll.“ Super, er lag hier im Sterben, und ich jammerte ihm die Ohren voll. Aber ich war völlig hilflos, konnte nichts tun, außer mit ihm zusammen auf Gevatter Tod zu warten. Er drückte meine Hand, schloss langsam die Augen, und atmete ein letztes Mal rasselnd aus. Dann war da nichts mehr. Ich  hatte nichts tun können.
    Weder seinen Namen, noch sein Alter kannte ich, nur das er jung war. Er konnte kaum älter als ich sein. Viel zu früh war er gestorben, und so völlig sinnlos.
    Ich saß einfach nur da, hielt seine Hand, und ließ meinen Tränen kullern, in dem Wissen, das dieser Tod nicht hätte sein müssen. Es war meine Schuld, wie auch bei Pal. Hätte ich die Zeichen nur früher gesehen, mich nicht so auf Anwar versteift, und wäre ich nicht so sehr auf Veith und seine Anerkennung aus gewesen, hätte ich vielleicht eher bemerkt was Erion im Schilde führte. Aber so war es nicht gewesen. Ich hatte uns alle offenen Auges ins Verderben geführt. Die Wölfe hatten Recht, ich war keine von ihnen, und würde auch niemals dazugehören. In dieser Gemeinschaft war kein Platz für mich.
    Ich war so mit mir und meiner Schuld beschäftigt, dass ich die Stille um mich herum erst wahrnahm, als sie von einem herzzerreißenden Schrei unterbrochen wurde. Und es war auch nicht der Schrei selber, der mich wachrüttelte, sondern das Wissen um die Person, die ihn ausgestoßen hatte.
    Kovu …
    Er hatte sich auf Najat gestürzt, und schrie und tobte, selbst dann noch, als Veith ihn vom Alpha des Steinbachrudels runter zerrte. Einen halben Meter neben ihm sah ich auch den Grund für seinen Ausbruch. Julica, tot.
    Mir war sofort klar, was geschehen sein musste. Najat hatte Julicas Amoklauf auf die einzige Art beendet, die nur noch ein Leben gekostet hatte – nämlich ihres.
    Kovus Schreie zerrissen mir das Herz. Veith redete auf ihn ein, aber er schüttelte nur unwillig den Kopf, und versuchte sich aus dem Griff seines Bruders zu befreien. In seinen Augen funkelte der blanke Hass. Julica war für ihn wie eine Schwester gewesen, und Najat hatte sie getötet. Der Grund dafür, spielte für ihn keine Rolle. Wenn Veith ihn losließ, würde er versuchen das Alphamännchen zu töten. Er würde es tun, ohne an die verehrenden Folgen zu denken.
    „Kovu.“ Ich sprach seinen Namen nur leise, trotzdem wirbelte sein Kopf sofort zu mir herum. Ich weiß nicht was er sah, aber der Ausdruck in seinem Gesicht wandelte sich von Hass zu Erleichterung. Julica hatte er verloren, aber ich lebte noch – welch schwacher Trostpreis. Er jedoch schien es anders zu sehen, versuchte sich wieder aus Veiths Klammergriff zu befreien, und

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