Jenseits des Spiegels
Kleidern aus Samt waren. Es gab verschiedene Farben, manche mit Mustern an den Säumen, ein paar mit Glitzersteinchen verziert – die funkelten so schön. Auch eines mit eingearbeiteten Goldfäden entdeckte ich. Die Teile waren echt hübsch, und bedecken alles was nötig war – juhu!
Letztendlich entschied ich mich für ein reinweißes Stück aus Samt, das an der Taille eng geschnitten war. Links hatte es einen Schlitz bis zum Knie, und der viereckige Ausschnitt zeigte nicht zu viel Dekolleté. Es war mit einem unauffälligen Kirschblütenmuster versehen, das aber nur ins Auge fiel, wenn das Licht im richtigen Winkel drauf schien. Trotz der großen Kapuze war es mehr ein Kleid als eine Robe. Das gefiel mir ausgesprochen gut. Nur Unterwäschetechnisch mussten die sich hier noch was einfallen lassen. Die Schlüpfer sahen aus, als stammten sie aus dem letzten Jahrhundert, und die Bezeichnung BH war an den Leutchen hier wohl komplett vorbeigegangen.
Ich machte mich daran, meine Haare vor dem gutausgestatteten Frisiertisch in Ordnung zu bringen – brachte nicht viel, es blieb Kraftlos, und hing schlapp an meinem Kopf herab –, als es an der Tür klopfte. Ich ließ die Bürste einfach auf den Tisch fallen, und riss die Tür auf. Keine Ahnung wen ich erwartet hatte, aber den alten Satyr von der Eingangstür nicht.
Er ignorierte meine Enttäuschung, ob nun aus Höflichkeit, oder weil es ihn nicht, war dabei nicht von Bedeutung. „Das Abendessen ist serviert.“
„Oh.“ Abendessen. Nicht sehr aufregend. Und ob ich mit diesem unfreundlichen Kerl von Anwar an ein und demselben Tisch sitzen wollte, wusste ich nicht so ganz. „Ähm …“
„Soll ich Ihnen den Weg zeigen?“, fragte er freundlich.
Wäre wahrscheinlich nicht so verkehrt, sonst landete ich bei meiner Suche nachher nur noch im Kerker. Gab es hier sowas? Okay, das war definitiv ein verkehrter Gedankengang. „Ja klar, das wäre vermutlich … äh, ja.“
„Wie Sie wünschen.“ Er verbeugte sich ein kleines Stück, und wartete dann bis ich meine Schuhe angezogen hatte.
Den Korridor ging es entlang, die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Hier hielt der Satyr sich rechts. Ich war die ganze Zeit am überlegen, was ich sagen könnte, weil ich die Stille als ziemlich drückend empfand, aber er schien sich daran nicht zu stören. Gut, wenn er das nicht tat, dann sollte auch ich es auch nicht tun. Ich wollte nicht aufdringlich sein. Man hatte ja gesehen, wozu das führte – blöde Lykaner.
„Das Esszimmer ist gleich hier vorne“, sagte er, nachdem er mich gefühlte hundert Flure entlanggeführt hatte. Schon seltsam, so groß kam mir das Haus gar nicht vor. „Wenn ich sonst nichts weiter für Sie tun kann?“
War das eine Frage? „Ähm, nein?“
Er beugte sein Haupt, und ließ mich stehen. Ich überbrückte die letzten beiden Meter, und betrat ein Essezimmer, von dessen Anblick allein mir schon schlecht wurde. Die Wände hingen voll mit den Köpfen ausgestopfter Kadaver, und gaben einem das Gefühl, bei jeder Bewegung beobachtet zu werden. Und hier sollte ich essen? Da waren die Magenkrämpfe doch schon vorprogrammiert. Warum nur hatten die Werwölfe mich ausgerechnet hier gelassen? War Anwar von Sternheim wirklich der beste, der mir helfen konnten, oder war ich ihnen so zuwider, dass sie mich aus reiner Bosheit hier abgeliefert hatten?
„Talita.“ Erion saß schon an der großen Tafel. Sein Gedeck stand auf der linken Stirnseite des Tisches, das seines Vaters auf der rechten. Auch der war bereits anwesend. Die beiden schienen nur noch auf mich zu warten. Für mich war genau in der Mitte gedeckt worden. Drei freie Stühle zur linken, drei zur rechten. Hm, ganz schön unpersönlich. Hatten die Angst, dass ich beim Essen spuckte, oder was?
„Komm, setzt dich zu uns“, sagte Erion, während er sich von seinem Platz erhob, um mir meinen Stuhl zurechtzurücken.
„Danke.“ Das letzte Stück schob ich mich selber zurecht, und sah zu, wie Erion seinen eigenen Platz wieder einnahm.
Als die anderen beiden die Speise unter ihrer Essensglocke lüfteten, tat ich ihnen das gleich. Braten mit ein roten, undefinierbaren Gemüse, und etwas das aussah wie Kartoffelbrei, lächelten mir verführerisch entgegen. Mein Magen grummelte erwartungsvoll. Ich wusste nicht genau, was ich da auf dem Teller hatte, aber hmm … der Geruch der mir entgegen schlug, ließ mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Okay, vielleicht brachte ich es ja doch fertig, unter den vielen
Weitere Kostenlose Bücher