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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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dass Leroy großen Wert auf ihre Gesellschaft legte, aber sie vermochten zumindest zeitweise seine düsteren Gedanken zu vertreiben. Der junge Brynn war ein Klosterschüler, der sich seinen Priesterzopf noch nicht verdient hatte. Er schien ein anständiger, gehorsamer junger Mann zu sein, der zwar nur dann die Lippen auseinander bekam, wenn man ihn ansprach, aber genau das gefiel Leroy an ihm.
    William hingegen war aus anderem Holz geschnitzt.
    Er sagte, er sei auf Ceregrym der Hauswärter und habe mit einem Priester wenig gemein. Weder trug er den typischen langen Priesterzopf noch waren seine Ansichten durchweg tugendhaft. Doch ihm haftete etwas Sympathisches an, sein Humor staubte trocken wie Wüstensand in der Mittagshitze.
    Er schaffte es gelegentlich sogar, Elane zum Lachen zu bringen, obwohl sie sich meistens ernst und gefasst zeigte. Wahrscheinlich entsprach dies aber ebenso einer Fassade wie seine nach außen gekehrte Gleichgültigkeit. In seinem Inneren aber brodelte es. Wenn er zuließ, dass seine Gedanken sich wie ein Strudel drehten, würde er sich nur schwerlich davon abhalten können, umzudrehen und in den Wald zu laufen, bis er tot zusammenbrach.
    Alles in ihm sträubte sich, zurück nach Lyn zu fliegen. Cirnod hatte sich bislang noch nicht geäußert, wie er es bewerkstelligen wollte, doch er ging fest davon aus, West-Fenn auf dieselbe Weise zu verlassen , wie sie hergekommen waren. Die Aussicht auf einen weiteren Flug in einem wackeligen, von Firunen gezogenen Karren, bescherte ihm eine Gänsehaut.
    Neben der schier alles erstickenden Angst schwelte noch eine heiße Wut, die ihm auf den Magen schlug. Alle außer ihm wirkten fest entschlossen, ihn mithilfe des Rats der Obersten auf den Thron zu helfen. Niemand hatte ihn nach seiner Meinung gefragt. Und obwohl er gesagt hatte, dass er nicht wollte, schien es niemanden zu interessieren. Er fühlte sich wie eine Marionette, doch er war nicht imstande, die Fäden zu durchtrennen. Er war ein Spielball, wurde herumgeschubst und ausgenutzt. Leroy biss sich auf die Unterlippe und unterdrückte die Tränen, die in seine Augen stiegen. Kurzzeitig dachte er sogar ernsthaft daran, sich in den Abgrund zu stürzen, wenn sie ihn erst erreicht hatten. Der Gedanke, seinem Vater in den Tod zu folgen, hatte durchaus seinen Reiz.
    Tränen liefen ihm über die Wangen, er schaffte es nicht mehr, sie zurückzuhalten. Hastig wischte er sich mit dem Ärmel über das Gesicht, bevor jemand bemerkte , wie traurig er war. Er fürchtete sich vor dem Tod, aber noch mehr fürchtete er sich vor dem, was ihn erwartete, sollten sie es tatsächlich bewältigen, bis zum Rat der Obersten vorzudringen und ihr Anliegen vorzutragen. Jaham würde die Krone niemals freiwillig hergeben. Insgeheim wünschte sich Leroy nichts anderes, als dass sie scheiterten. Dann wiederum beschlich ihn ein schlechtes Gewissen. Das Opfer seines Vaters sollte nicht umsonst gewesen sein. Verdammt! Er durfte doch nicht sein ganzes Leben lang davonlaufen! Leroy schüttelte seine Gedanken ab. Er sollte noch nicht darüber nachsinnen, was ihm bevorstand. Jedenfalls nicht, so lang sie sich noch in der Wildnis befanden.
    Leroy lauschte in den Wald hinein. Er vernahm das Geräusch ihrer Schritte, die sich dumpf anhörten auf dem weichen, m oosbewachsenen Waldboden. Äste knackten, Blätter raschelten, in den Baumwipfeln scharrte und kratzte es. Gelegentlich gab Cirnods Krähe, die den Weg über entweder auf seiner Schulter gesessen hatte oder ihnen von Baum zu Baum gefolgt war, einen krächzenden Laut von sich.
    Sie bewegten sich schon mehrere Stunden lang kontinuierlich nach Süden. Es war ein anderer Weg als der, den Leroy und Elane auf dem Hinweg benutzt hatten. Hier gab es nicht einmal einen ausgetretenen Pfad, nur wilde Natur. Sie verließen sich einzig auf Cirnods Anweisungen. Der Himmel, der gelegentlich zwischen den dicht stehenden Tannen hervorlugte, leuchtete hellgrau und von einheitlicher Farbe.
    Kjoren und Elane tuschelten schon den ganzen Vormittag miteinander. Leroy spürte feine Stiche in der Brust. Er fühlte sich ausgegrenzt. Wie immer. Eigentlich hätte er sich doch irgendwann daran gewöhnen müssen. Doch als Kjoren nach Elanes Hand griff und sie nicht wieder losließ, sie weiter so nebeneinander hergingen, fühlte sich Leroy nicht nur ausgegrenzt, sondern auch zutiefst beschämt. Es war ein unvorstellbarer Gedanke, dass eine Valanenfrau offen ihre Zuneigung zu einem ihr nicht versprochenen Mann

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