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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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noch alles wusste. Seine Krähen schienen ihm viele Dinge mitzuteilen.
    »Lass meinen Vater aus dem Spiel!« Im Schein des Feuers funkelten Leroys Augen gefährlich. Cirnod ließ sich nicht einschüchtern, er machte nur eine beschwichtigende Geste.
    Elane war sich sicher, dass Cirnods Absichten zwar edel, aber kaum durchzusetzen waren. Aber immerhin hatten sie nun noch drei Verbündete im Kampf gegen Jaham.
    Cirnod bat Brynn, ihm einen der Rucksäcke zu reichen. Er öffnete die Verschnürung, griff hinein und zog ein Stück Papier heraus, das er sorgsam entfaltete. »Dies ist ein Dokument, das König Alloret vor seiner Entführung und seinem Tod mit seinem Siegel unterzeichnet hat. Darauf hat er das Mal abgezeichnet, mit dem er seinen neugeborenen Sohn gekennzeichnet hat.« Er hielt das Pergament in die Luft, sodass alle es sehen konnten. Es zeigte zweifelsfrei die verschlungenen Linien, die zwar unvollständig, aber unverkennbar Leroys Arm zierten. Cirnod faltete das Dokument wieder zusammen und steckte es zurück in den Rucksack. Dann griff er erneut hinein. Als er die Hand herauszog, lag darin ein kleines, abgegriffenes Buch. »Das ist der Gegenstand, nach dem ihr gesucht habt, oder? Das Tagebuch von König Alloret. Ich habe es mitgenommen, damit es den Männern des Königs nicht in die Hände fällt, wenn sie Ceregrym erreichen und wahrscheinlich auf den Kopf stellen werden. Es gehört Leroy. Er ist sein Erbe.«
    Leroy zeigte sich unbeeindruckt. Seine Miene blieb grimmig. Kjorens Augen hingegen weiteten sich. Er griff nach dem Buch, aber Cirnod schüttelte nur den Kopf und versenkte es rasch im Rucksack. »Wollt ihr mir denn nun glauben oder nicht?«, fragte er.
    »Es würde helfen, wenn ihr uns die schrecklichen Fesseln abnehmt.« Kjoren schnaubte und verzog den Mund.
    »Selbstverständlich.«
    Brynn und William befreiten sie, Leroy und Kjoren von den Fesseln. Elane streckte sich und ging ein paar Schritte, bevor sie sich wieder setzte. Es war eine Wohltat für ihre geschundene Haut und die Gelenke. Zum ersten Mal spürte sie Zuversicht in sich aufkeimen.
    »Wissen Sie, was in diesem Buch geschrieben steht?«, fragte sie. Eine leichte Skepsis in der Stimme konnte sie nicht verbergen.
    »Ich weiß nur das, was Leroys Vater Bjart euch erzählt hat. Meine Krähe Jinna hat es ebenfalls gehört und mir berichtet. Sie hat auf dem Fensterbrett gesessen und euer Gespräch belauscht. Jahrelang hatte ich keine Ahnung, weshalb das Buch für Alloret so wichtig gewesen war. Und ich habe nie gewusst, dass die Firunen wegen dieser Formel Alloret sogar gefangen hielten und folterten.« Er schüttelte sich kurz, als wollte er schaurige Erinnerungen vertreiben. »Wie dem auch sei, ich muss euch noch ein letztes Geständnis machen«, fuhr der Priester im Flüsterton fort.
    »Wer’s glaubt.« Leroy klang verärgert. Wahrscheinlich hielt er die Aussicht, dass man ihm zu seinem Erbe verhelfen wollte, ebenso wenig erstrebenswert wie den Tod am Strang.
    »Ibrik und Lotta haben euch nicht zufällig in Valana aufgegabelt«, sagte Cirnod. »Sie gehören zu einem Geheimbund der Firunen, eine Neugründung der Befreier. Wir kommunizieren mithilfe unserer Krähen miteinander. Wirklich nützliche und schlaue Biester. Natürlich habe ich Ibrik angewiesen, euch herzubringen.«
    Elane spürte heiße Empörung aufsteigen, aber bevor sie sie verbrannte, ermahnte sie sich zur Ruhe. Es war kein Zufall gewesen!
    Cirnod blickte verlegen in die Runde. »Ich stehe seit einiger Zeit in Kontakt mit den Firunen. Nach so vielen Jahren in den Wäldern von West-Fenn bleibt einem kaum etwas anderes übrig. Noch vor zwanzig Jahren hätte ich jeden, der mir erzählt hätte, ich würde mit ihnen einst konspirieren, für verrückt erklärt.« Er legte den Zeigefinger kurz auf die Lippen. »Aber das bleibt unter uns.«
    In dieser sternenklaren und eiskalten Nacht dachte keiner an Schlaf. Sie unterhielten sich noch lang am kargen Feuer , und als sich Elane erschöpft auf den Boden sinken ließ und sich an den Stamm lehnte, überflutete sie ein Gefühl unendlicher Erleichterung.
    Endlich!
    Am düsteren Horizont glomm sie – die Hoffnung.

Zwanzig
    Ein jähes Ende
    D en folgenden Morgen erlebte Leroy trotz der spätherbstlichen Kälte als einen der angenehmsten der letzten Wochen. Brynn und William gaben sich gesprächiger, als er es ihnen zugetraut hätte. Wahrscheinlich waren die beiden ihren Gefangenen gegenüber ebenso misstrauisch gewesen wie sie selbst. Nicht,

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