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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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zeigte, und erst recht nicht zu einem Firunen! Außerdem war sie doch verheiratet … Leroy wandte den Kopf ab und beschleunigte seine Schritte, bis er an ihnen vorübergezogen war. Er wollte sich dieses Schauspiel nicht länger ansehen.
    Gegen Mittag stieg der Weg an, zunächst seicht, dann immer steiler. Sie schleppten sich bergauf, bis ihre schweißnassen Körper in der Kälte dampften. Die Wurzeln der Bäume krallten sich in das Erdreich, an nicht wenigen Stellen ragte das Wurzelgeflecht kniehoch hervor. Sie hatten Mühe, nicht darüber zu fallen. Leroy wollte sich gerade bei Cirnod erkundigen, ob er wirklich genau wisse, wohin er sie führte, als das Gelände sich jäh zu einem Plateau erweiterte. Der weiche Boden wich einer felsigen Hügelkuppe.
    Leroy hielt für einen Moment ehrfürchtig den Atem an. Vor ihnen lag ein weites Tal. Der Ausblick überwältigte ihn. Einer der schönsten, den er je genossen hatte. Doch als sie aus dem Wald heraustraten, verstärkte sich schlagartig der Wind, der unbarmherzig über alle Kontinente von Yel fegte. Es war bitterkalt und sie froren entsetzlich, deshalb machten sie sich sehr bald an den Abstieg auf der anderen Seite des Plateaus ins Tal.
    »Was ist das denn da hinten?«
    Leroy zuckte vor Schreck zusammen, als Kjorens laute Stimme direkt hinter ihm wie ein Paukenschlag die Stille durchschnitt. Er drehte sich zu ihm um. Kjoren beschattete seine Augen mit der rechten Hand, mit der linken deutete er auf einen Punkt auf der weit entfernten, anderen Seite des Tals. Zeitgleich drehten sich alle Köpfe in diese Richtung. Kjorens Frage wurde alsbald beantwortet, denn kaum hatte er sie ausgesprochen, war das, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte, auch schon deutlicher zu erkennen, da es sich mit hoher Geschwindigkeit auf sie zubewegte. Ein Reiter!
    Cirnod stieß ein entsetztes Keuchen aus, die Krähe auf seiner Schulter tänzelte nervös von einem Bein auf das andere.
    »Verdammt, wie kann das möglich sein?«, knurrte William. »Wie kommt ein Reiter hierher? Wir sind mitten in der Wildnis.«
    Leroy beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Elane die Arme um Kjoren schlang und ihr Gesicht an seiner Schulter barg, als könnte sie sich dadurch unsichtbar machen. Leroys Herzschlag beschleunigte sich auf ein unangenehmes Maß, das Blut rauschte in den Ohren, die Knie fühlten sich mit einem Mal schwach an.
    »Der Reiter trägt die Uniform der königlichen Armee«, sagte William. »Er muss zu den Soldaten gehören, die Jaham nach West-Fenn geschickt hat.«
    »Fliehen ist zwecklos. Er hat uns längst gesehen.«
    Cirnod erwiderte nichts, sein Gesicht war kreidebleich. Hastig wandte er sich ab, ging ein paar Schritte zurück und murmelte unverständliche Worte. Leroy zog die Augenbrauen hoch. Der alte Priester schien nicht nur ein wenig exzentrisch, sondern auch verrückt zu sein. Einen Lidschlag später breitete seine Krähe die Schwingen aus und stieg in den eisigen Wind auf. Schon bald war sie hinter den Baumwipfeln verschwunden.
    »Was tust du?«, verlangte Leroy zu wissen.
    »Einen Hilferuf absetzen natürlich, was sonst?« Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als der fremde Reiter vor ihnen zum Stehen kam. Sein pechschwarzes Schlachtross dampfte in der kalten Luft. Elane schälte sich wieder aus Kjorens Umarmung und betrachtete den Eindringling mit bangem Gesichtsausdruck. Leroy verspürte stärker denn je den Wunsch, einfach davonzulaufen. Weshalb nur gönnte man ihm kein einfaches Leben?
    Der Soldat mit den dunklen, kurz geschorenen Haaren stieg von seinem Ross ab und nickte zur Begrüßung. Wenigstens hatte er so viel Anstand. Leroy kannte ihn nicht, aber in Kjorens Gesicht las er deutlich ab, dass sich die beiden schon einmal begegnet waren. Seiner verbitterten Miene zufolge schien die Zusammenkunft nicht von angenehmer Natur gewesen zu sein. Unmerklich wich er einen Schritt zurück.
    »Mein Name ist Ben Stanfield«, sagte der durchschnittlich große Soldat mit fester Stimme. Seine abgetragene Uniform machte den Anschein, als hätte ihr Träger bereits einen weiten Weg hinter sich. Die Aufschläge seiner Hose starrten vor Schlamm, der oberste Knopf der Jacke fehlte. Leroy schätzte ihn auf Mitte dreißig.
    »Ich bin als Kundschafter von meinem Trupp vorausgeschickt worden, um die schnellste Route nach Ceregrym zu finden«, fuhr er fort. »Und was macht ihr hier in der Einöde?« Ein Hauch von Skepsis huschte über sein Gesicht, als er sie nacheinander musterte. Auf Kjoren ruhte

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