Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
Vom Netzwerk:
sein Blick besonders lange. »Wen haben wir denn da?«, sagte er mit unverhohlener Schadenfreude, aber auch Unverständnis in der Stimme. »Der Thronerbe, der uns vor Valana in den Abgrund gefallen ist. Wir haben gedacht, du seist tot! Wie kann das sein?«
    Leroys Verstand benötigte einige Sekunden, um zu verstehen, wovon er überhaupt sprach. Dann fiel ihm Kjorens Geschichte wieder ein. Man hatte Kjoren gefangen genommen und mit ihm verwechselt.
    Kjoren bemühte sich um ein selbstsicheres Auftreten, aber Leroy bemerkte, dass sich seine Hände zu Fäusten verkrampften. »Ich bin nicht hinuntergestürzt, mir ist es gelungen, mich an einer Wurzel festzuhalten und wieder hinaufzuziehen.«
    Kjoren musste selbst bemerkt haben, wie haarsträubend das klang. Doch Ben schien dumm genug, um ihm die Lüge abzukaufen, denn er grinste nur und sagte: »Eine glückliche Fügung des Schicksals.« Er sah Elane und Leroy an. »Und da sind auch die beiden, die uns in der Bruchbude des alten Firunen bei Feddys abhandengekommen sind. Ha!«
    Ben war tatsächlich dämlich genug, keinen Verdacht zu schöpfen. Jemand, der in den Abgrund stürzte und überlebte, roch doch förmlich nach Firunenmagie.
    Kjoren warf ihm einen Blick von der Seite zu, als wollte er ihn ermahnen, das Spiel mitzuspielen. Er starrte gleichgültig zurück. Sie saßen wieder einmal in einer Falle, aus der vermutlich keiner von ihnen lebend herauskommen würde. Er wunderte sich über seinen plötzlichen Gleichmut. Vielleicht lag es daran, dass er in den letzten Tagen so oft mit dem Leben abgeschlossen hatte, dass das Angstgefühl bereits abzustumpfen drohte.
    Cirnod räusperte sich. »Wir haben von eurer Ankunft gehört. Wir haben die drei Ausreißer wie befohlen gefangen genommen. Ich dachte, wir könnten euch einen Teil des Weges ersparen, indem wir euch entgegengehen.«
    Bens Miene hellte sich auf, ein Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. »Das war eine wirklich weise Entscheidung! Wenn ich das dem König berichte, wird er sicherlich ein paar Taler mehr in euer Kloster stecken. Dann könnt ihr auch einmal etwas anderes essen als schimmeliges Brot und Kaninchenfleisch.« Ein süffisantes Grinsen breitete sich auf Bens Gesicht aus. Leroy konnte sein Pech kaum fassen. Gerade hatte er sich von dem einen Schreck erholt, da klopfte schon die nächste Schwierigkeit an seine Tür. Er verbrannte Cirnod mit einem zornigen Blick. Hatte er ihnen wirklich die Wahrheit erzählt? Oder war dem Priester am Ende sein Kloster doch wichtiger als das Leben zweier Valanen und eines Firunen? Würde er sie ausliefern? Es wäre eine äußerst bequeme Lösung für ihn. Er würde lebend in sein Kloster zurückkehren, noch dazu mit der Aussicht auf mehr Geld. Wie weit reichte seine Loyalität?
    Ben befahl, ihnen vorauszugehen. Beinahe zu bereitwillig kam Cirnod seiner Aufforderung nach. Leroy entging nicht, dass eine von Bens Händen fortwährend auf dem Griff seines Schwertes ruhte, auf seinem Rücken prangte ein Gewehr.
    Eine Flucht war zwecklos, gerade in einem so weitläufigen und baumlosen Tal wie diesem. Ben ritt hinter ihrer kleinen Karawane, die Cirnod geradewegs durch die Senke hindurch in den gegenüberliegenden Wald führte.
    Schon von Weitem sah Leroy das Lager der Soldaten. Sie rasteten in einer mit dunkelgrünem Moos bedeckten Vertiefung, die ein umgestürzter Baum in den Boden gerissen hatte. Der mächtige Stamm war längst tot. Sumpfmoos, Flechten und Pilze überwucherten ihn. Seine abgestorbenen Wurzeln ragten hoch aus der Erde. Vermutlich hatten die Herbststürme die riesige Eiche schon vor vielen Jahren dem Boden entrissen.
    Als sie die Gruppe erreichten, schwang sich Ben aus dem Sattel und befestigte die Zügel seines Pferdes an einem der Äste, die aus dem Baumriesen seitlich herausragten. Die Köpfe aller anwesenden Soldaten – Leroy zählte zehn – waren seit geraumer Zeit auf sie gerichtet. Hinter ihm stieß Elane einen erstickten Laut aus, als hätte sie sich verschluckt. Leroy wandte sich um. Elane presste sich noch näher an Kjoren, in ihrem Blick lagen Angst und Verzweiflung.
    »Aha«, rief einer der Soldaten so jäh und laut, dass Leroy zusammenzuckte. Er zeigte auf Elane, zog die Augenbrauen zusammen und schritt auf sie zu. Elane wich zurück. Als Leroy die Uniform mit den Abzeichen auf der Schulter, die dunklen Augen und den Kinnbart sah, durchzuckte ihn ein weiterer Schreck. Jonneth Venell! Er hatte ihn auf der Beerdigungsfeier gesehen, bei der man König

Weitere Kostenlose Bücher