Jenseits des Windes
seinen Freund freundschaftlich in die Seite. »Nur, weil du zu blöd dazu bist.« Louis reagierte nicht auf die Stichelei.
»Ich finde sicherlich jemand anderen, der mit mir spielen will. Ich habe noch ein paar Münzen, sicher kann ich mein Geld vermehren, bis wir wieder in Valana sind.« Abe stieß ein gehässiges Lachen aus. »Ich habe geübt, mich schlägt so leicht niemand.«
»Ich könnte mit dir spielen«, sagte Leroy. Seine Zunge schien schneller zu sein als sein Verstand, denn im nächsten Moment schämte er sich bereits, Abe das Angebot gemacht zu haben. Er war gut beim Kelotti, doch er verspürte keine Lust, unter Deck zu gehen und sich mit Glücksspielen zu beschäftigen, und erst recht nicht mit jemandem, dem Fairness ein Fremdwort war.
Abe musterte ihn von oben bis unten wie ein Pferd, das er zu kaufen beabsichtigte, und zog die Stirn kraus. »Du möchtest mit mir um Geld spielen? Ich habe dich immer für kleinkariert und überkorrekt gehalten.« Er betonte die letzten Worte besonders abfällig.
Ein Schwall Blut schoss Leroy ins Gesicht. Die meisten Soldaten mieden ihn, auch wenn er nie den genauen Grund gekannt hatte. Leroy hatte sich immer bemüht, ein redlicher Soldat und ein hilfsbereiter Kamerad zu sein, trotzdem hatte er nie wirklich Anschluss innerhalb der Gruppe gefunden. Dass man ihm Disziplin und Genauigkeit als etwas Negatives auslegte, überraschte ihn.
»Nun gut«, brummte Abe. »Spielen wir eine Partie. Hast du Geld?«
Leroy nickte und zog einige Münzen aus der Hosentasche. Ein verschlagenes Lächeln machte sich in Abes Gesicht breit.
Nur wenig später saßen sie an einem kleinen hölzernen Tisch im Speisesaal des Schiffes. Zu dieser Uhrzeit war der Bereich für gewöhnlich menschenleer. Dennoch wagten sie nicht, eine Lampe zu entzünden, damit niemand Verdacht schöpfte. Durch die fünf runden Fenster an der Längsseite des Saals fiel genug Mondlicht, um die Karten und Spielfiguren zu erkennen. Hauptmann Lenry sah es nie gern, wenn seine Männer sich mit Glücksspielen die Zeit vertrieben, aber gerade der Reiz des Verbotenen schien Abe und Louis zu locken. Leroy hingegen konnte sich nicht entspannen. Immer wieder glitt sein Blick zu der blau gestrichenen Schwingtür, die zum Gang führte. Doch seine Sorgen waren unbegründet, niemand kam herein und störte sie. Louis saß gelangweilt am Nebentisch und nippte an einem Flachmann. Auch der Genuss von Alkohol war auf den Missionen streng untersagt. Leroy fragte sich, wie die beiden es immer wieder schafften, unbemerkt die Gesetze zu brechen.
Sie spielten einige Partien und unterhielten sich über vielerlei Dinge, vornehmlich über den zurückliegenden Einsatz und den seltsamen Fund, den sie in der Wildnis gemacht hatten. Leroy entspannte sich zunehmend. Er genoss die Gesellschaft so sehr, dass er über Abes unfaires Spiel hinwegsah. Abe glaubte wohl, er bemerkte es nicht. Dabei hielt sich Leroy für einen der besten Kelottispieler von Lyn, er kannte alle Tricks und Kniffe. Doch er verlor Spiel um Spiel, weil er sich nicht traute, die ausgelassene Stimmung zu trüben. Es kam selten genug vor, dass jemand mehr als ein paar Floskeln mit ihm wechselte. Er hatte sich daran gewöhnt, doch Momente wie dieser riefen ihm äußerst brutal seine Einsamkeit ins Gedächtnis zurück.
Abes Laune stieg ins Unermessliche, als er Leroys letztes Kupferstück gewann. Er tanzte um den Tisch. Leroy lächelte gequält. Ein Anflug von schlechtem Gewissen quälte ihn. Wie weit war er gesunken, dass er für ein wenig Gesellschaft und die Illusion, einen Freund zu haben, sein ganzes Geld verspielte? Als Leroy später in der Koje lag und den gleichmäßigen Atemgeräuschen seiner Zimmergenossen lauschte, fühlte er sich nur noch schlecht. Zum Glück würden sie bald ihr Ziel erreichen und in Lyn anlegen. Er freute sich auf die wenigen freien Tage, die ihm im Anschluss an die Mission vergönnt sein würden.
Der folgende Tag war eine Aneinanderreihung bedeutungsloser Ereignisse. Das Frühstück an Bord war einfach, aber dennoch schmackhafter als alles, was den Soldaten in den Tagen zuvor serviert worden war. Schweigend saßen sie im Speisesaal und genossen zum ersten Mal seit Beginn der Mission wohlschmeckendes Brot, Käse, Trockenobst und Gebäck. Die Tischgespräche beschränkten sich auf die Bitten, das Essen herumzureichen.
Leroy ließ den Blick durch den Saal schweifen. Tivor und Phal, ihre Schützlinge, glänzten durch Abwesenheit. Hauptmann Lenry hob
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