Jenseits des Windes
Zugbrücke hinunter. Hauptmann Lenry erteilte die Erlaubnis, das Schiff zu verlassen. Wenig später reihten sich die Soldaten wie Orgelpfeifen an der Kaimauer. Sogar Tivor und Phal standen bei ihnen. Mittlerweile sahen sie wie ordentliche Valanen aus, gewaschen und angekleidet, wenn auch noch ein wenig blass um die Nase. Sie drängten sich dicht neben Hauptmann Lenry aneinander, als suchten sie in seiner Nähe Schutz. Ihre Augen weiteten sich, als sie die hohen Gebäude und das geschäftige Treiben am Hafen von Valana beobachteten. Wenn ihre Geschichte stimmte, hatten sie die Stadt seit über zwanzig Jahren nicht gesehen. Vieles hatte sich seitdem verändert. Valana war förmlich explodiert und aus allen Nähten geplatzt.
Hauptmann Lenry kratzte sich am Kopf, blickte nach rechts und links und machte einen ratlosen Eindruck. Ein äußerst seltenes Schauspiel. Leroy wartete wie alle anderen mit dem Gepäckstück zu seinen Füßen auf weitere Anweisungen.
»Wo ist Mr. Swatt?«, fragte Lenry, mehr zu sich als an jemand bestimmten gerichtet. Er knurrte ärgerlich, bellte den Befehl, alle sollten stillstehen und stapfte von dannen. Als er nach kurzer Zeit zurückkehrte, begleitete ihn ein gut gekleideter Mann. Er trug Hut und Anzug, sein ergrauter Schnauzbart zuckte bei jedem Wort, das er sprach. Leroy stand zu weit entfernt, um zu verstehen, worüber sie sich unterhielten . A us den Bruchstücken der Diskussion ließ sich schließen, es ging um einige georderte Kutschen, die den Trupp zurück zur Kaserne hatten fahren sollen, die aber augenscheinlich nicht vor Ort waren. Der Geschäftsmann, der vermutlich Mr. Swatt von der Droschkenvermietung war, begründete den ärgerlichen Vorfall mit der Verspätung der Kompanie. Um einem Verdienstausfall entgegenzuwirken, habe man die Kutschen anderweitig vermietet. Hauptmann Lenry und der Droschkenverleiher kamen näher. Jetzt verstand Leroy jedes ihrer Worte.
»Dann organ isieren Sie gefälligst Ersatz«, sagte Lenry in verärgertem Ton.
Mr. Swatt zuckte die Achseln. »Ich kann Ihnen nicht viel anbieten, in diesen Tagen sind fast alle Kutschen ausgebucht. Morgen heiratet die Prinzessin. Obwohl man keine großen Feierlichkeiten geplant hat, ist die Stadt trotzdem gerammelt voll. Noch dazu naht das Sturmfest, da befindet sich ohnehin alles und jeder im Ausnahmezustand.«
Lenry zog die Stirn kraus. »Haben Sie gar keine Alternative für uns?« Seine Stimme klang beinahe flehend und wollte überhaupt nicht zu ihm passen. Anscheinend war er ebenso müde und verzweifelt wie der Rest der Truppe.
»Nun, ich traue mich kaum, Ihnen das Angebot zu machen, aber das Einzige, das ich Ihnen anbieten kann, ist ein Handelskarren, den ich noch vermieten kann. Ein Kunde ist wegen Krankheit abgesprungen. Es ist wirklich nicht viel mehr als ein Maultiergespann mit einer etwas größeren Ladefläche. Kaum geeignet, um Personen zu befördern. Aber vielleicht können wir das Gepäck damit zur Kaserne fahren.«
Man merkte Hauptmann Lenry seinen Unmut deutlich an, doch ihm blieb nichts übrig, als zuzustimmen. Sie würden den Marsch zur Kaserne wohl oder übel zu Fuß zurücklegen müssen. Was machte das noch für einen Unterschied? Sie kamen gerade von einer Mission, die ihnen einiges mehr abverlangt hatte. Leroy nahm den zusätzlichen Marsch mit Gleichmut hin.
Mr. Swatt verabschiedete sich mit einem Händedruck und nur wenig später fuhr der Wagen vor. Es war tatsächlich nur ein Bauernkarren zum Befördern von Stroh oder Ähnlichem. Die Tiere hatten schon bessere Tage gesehen. Der Fahrer sprang vom Kutschbock, steuerte auf den Offizier zu und nickte zur Begrüßung.
»Sie können das Gepäck auf den Wagen laden. Ich weiß, wohin ich es bringen soll. Mr. Swatt hat mich informiert.« Der kleine dürre Mann lächelte verschmitzt. »Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen beim Beladen nicht behilflich bin, aber ich müsste mal … na ja, Sie wissen schon.« Er stieß ein gepresstes Lachen aus und wandte sich ab. Hauptmann Lenry schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.
Die meisten schienen froh, dass endlich eine Entscheidung gefallen war, auch wenn sie nicht unbedingt jedermanns Geschmack traf. Der Weg zur Kaserne war weit und führte mitten durch die Stadt hindurch, doch das lange Herumstehen am Hafen war noch unerträglicher als der Gedanke an den Marsch. Immerhin konnten sie sich ihrer schweren Rucksäcke entledigen.
Der Andrang auf den Karren war gewaltig. Die Soldaten stürzten darauf zu wie
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