Jenseits des Windes
durch den Flur – Musik in seinen Ohren.
Ein spitzer Schrei brachte Jonneth in die Realität zurück. Die dumme wertlose Schlampe kauerte immer noch neben seinen Knien auf dem Boden. Strähnen hatten sich aus ihrer kunstvollen Frisur gelockert und klebten in ihrem tränennassen Gesicht. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen und schluchzte.
»Ich kann doch nichts dafür, ich kann doch nichts dafür«, wiederholte sie immerzu in einem monotonen Singsang.
Ihre ständigen Unschuldsbekundungen heizten die Wut nur noch mehr an. Jonneth packte mit der Hand in ihren dunkelbraunen Schopf und riss sie an den Haaren hoch auf die Beine. Elane starrte ihn aus geweiteten Augen an. Sie hatte sein Leben zerstört. Seine sorgsam von seinem Vater durchgeplante Zukunft war mit nur einem stinkenden Brief zunichtegemacht worden. Tief in seinem Inneren wusste Jonneth, dass die Dirne keine Schuld traf, doch das war ihm egal. An dem wahren Schuldigen würde er sich alsbald nicht rächen können. Dafür würde er andere bestrafen. O ja, allen voran den stinkenden Tivor Breel. Jonneth schwor, den Thronerben qualvoll sterben zu lassen.
Seine Handfläche brannte, als er Elane eine schallende Ohrfeige verpasste. Endlich schwieg sie, wenigstens für den Augenblick. Sie schnappte nach Luft und versuchte, sich von ihm loszureißen, aber er würde sie nicht gehen lassen. Wenn sie auch von König Adoran offiziell enterbt worden war, so bestand dennoch die Möglichkeit, dass der König sich nach wie vor für ihre Rechte einsetzte und sie womöglich noch schützte. Es war zu riskant, dem Impuls nachzugeben und sie zu erwürgen. Dabei stand es dem König nicht länger zu, über Elanes Zukunft zu entscheiden. Sie war jetzt seine Ehefrau, und somit sein Eigentum. Er würde sie mitnehmen in das Stadthaus der Venells. Als Hure taugte sie noch immer, zumindest war ihr Körper ansehnlich.
Als Jonneth dem winselnden Unglücksbringer gerade ein weiteres Mal ins Gesicht schlagen wollte, vernahm er das Geräusch von mehreren Stiefelpaaren, die die Treppe heraufkamen, begleitet von mindestens zwei männlichen Stimmen, die sich leise unterhielten. Jonneth wandte sich hektisch zu Elane um, presste ihr eine Hand auf den Mund und zerrte sie in einen kleinen Raum, der direkt hinter ihnen vom Gang abzweigte. Es war eine Vorratskammer für Putzutensilien, fensterlos und kaum breiter als eine Armlänge. Jonneth lehnte die Tür an und lauschte angestrengt, ohne Elane loszulassen, obwohl sie keine Anstalten machte, zu schreien oder sich zu wehren.
Die Männer erreichten das Ende der Treppe und blieben stehen. Jonneth spähte aus dem Türspalt, um zu erkennen, wer ihn in diesem abgelegenen Teil des Palastes bei seinem Wutanfall gestört hatte. Sie befanden sich im Gästeflügel für die weniger hochrangigen Besucher des Königs. Hier gab es nur einfache Unterkünfte, die die meiste Zeit des Jahres leer standen. Lediglich einige Angestellte kamen hierher, um zu lüften oder den Staub, der sich über das Jahr auf Böden und Möbel absetzte, zu entfernen. Wer sich hier aufhielt und kein Palastangestellter war, wünschte aus irgendeinem Grund, ungestört zu sein. Genau wie er.
Jonneth erkannte zwei Männer. Einer war Kase Borey, ein enger Berater König Adorans. Er war ein stiller und unscheinbarer Mann, der eher im Hintergrund agierte und selten an öffentlichen Anlässen teilnahm. Sein beleibter Körper kleidete ein schlichtes Hemd und zu eng sitzende Hosen. Den anderen Mann hatte Jonneth noch nie gesehen, doch er trug ein Leinenhemd in den Farben der Kammerdiener, dunkelbraun und sandfarben. Für einen Moment unterbrachen sie ihre Unterhaltung und blieben neben dem Treppengeländer stehen.
»Barmherziger Gott, was ist denn hier geschehen?«, fragte der Diener und schlug die Hände vors Gesicht.
»Jemand hat die Vase umgestoßen. Oder es war eines von den unzähligen Erdbeben, die wir hier haben, wer weiß das schon«, sagte Borey mit quäkender Stimme und verdrehte die Augen. Er ließ den Blick über die Scherben zu seinen Füßen gleiten. »Wir werden den Vorfall melden, damit eine der Mägde das Chaos beseitigen kann.« Er lächelte verstohlen und machte eine abwertende Handbewegung. »Die Vase war ohnehin hässlich.«
Der Diener gab keine Antwort. Es stand ihm nicht zu, den Geschmack des Königs infrage zu stellen.
»Weshalb wollten Sie denn unbedingt ungestört mit mir sprechen, Vilonor? Sprechen Sie! Meine Zeit ist nur begrenzt.« Borey senkte
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