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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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Mann mit dem weißen Backenbart reckte eine Faust in die Luft. Sein Gesicht verzerrte sich vor Wut. Adoran machte eine beschwichtigende Geste, woraufhin er die Fäuste herunternahm.
    »Bitte, Mr. Breel, beantworten Sie meine Frage«, sagte der König mit rauem Unterton. »Wir haben die Leichen nie offiziell identifizieren können, weil …« Er machte eine Pause und rang nach Worten. »Nun ja, jedenfalls hat niemand die Leichen mit eigenen Augen gesehen, zumindest nicht an einem Stück.«
    Elanes Herz schlug ihr hart bis zum Hals. Hätte sie bereits gegessen, wäre es ihr unverzüglich hochgekommen. Man hatte ihr nie die genauen Umstände des Todes ihrer Eltern geschildert. Sie war ein Säugling gewesen, als das Attentat verübt wurde. Jede Faser ihres Körpers schrie danach, die Flucht anzutreten. Sie wollte weg von dem Irrsinn. Doch ihre gute Erziehung verbot es ihr, ihren Bedürfnissen nachzugeben. Außerdem war es nun, wo sie zur Frau geworden war, endlich an der Zeit, zu erfahren, was damals wirklich geschehen war.
    Tivor Breel antwortete nicht gleich, sondern blickte unsicher von links nach rechts, griff in die Brusttasche seines Hemdes und förderte ein Stück Papier zutage. Es sah alt und zerknittert aus. Die Atmosphäre im Saal spannte sich bis zum Zerreißen. Selbst Jonneth richtete sich in seinem Stuhl auf, um einen besseren Blick auf Mr. Breel und seinen vergilbten Zettel werfen zu können.
    Er hielt das vermeintliche Beweisstück auf Augenhöhe und bemühte sich, selbstsicher zu klingen, als er sagte: »Ich verwahre dieses Dokument seit über zwanzig Jahren. Ich weiß nicht, was darin geschrieben steht, das schwöre ich! Ich war immer ein gewissenhafter und verlässlicher Diener König Allorets. Er hat mir diesen Brief anvertraut. Es ist sogar noch sein Siegel darauf.« Mr. Breels Stimme brach und er senkte den Blick.
    Adoran ließ ihm Zeit, um sich wieder zu fangen.
    »Wir hatten nur normales Kerzenwachs dort unten in dem dunklen Loch, in dem man uns gefangen hielt. Es ist ganz brüchig und nicht mehr gut zu erkennen. Alloret hat den Brief auf die Rückseite der Einkaufsliste geschrieben, die ich damals anlässlich der Taufzeremonie angefertigt hatte und zum Zeitpunkt unserer Entführung bei mir trug.« Mr. Breel zog geräuschvoll die Nase hoch, doch niemand wies ihn zurecht. Auch dem anderen Mann, Mr. Redland, stiegen Tränen in die trüben Augen. Elane spürte einen Knoten in ihrer Kehle. Sie schluckte. Mitleid trat an die Stelle des Zorns. Sollte er die Wahrheit sagen, blickte Elane in das Gesicht eines Mannes, der die letzten Stunden im Leben ihres Vaters miterlebt hatte. Elane fühlte sich einer Ohnmacht nahe.
    »Alloret gab mir den Brief, kurz bevor er starb. Ich bin mir sicher, er wusste, dass er die Gefangenschaft nicht lange überleben würde. Ich verwahre seinen Letzten Willen seitdem, und ich habe den ausdrücklichen Befehl erhalten, ihn niemand anderem als seinem Bruder persönlich zu überreichen, sollte ich die Gefangenschaft überleben und je nach Valana zurückkehren. Und hier bin ich nun.«
    Eine Weile sprach niemand. Alloret starrte Tivor Breel mit geweiteten Augen an. Die innere Zerrissenheit stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Elane spürte, dass er dem armen Mr. Breel gern glauben würde, doch sie nicht. Dieser Mr. Breel schien ein wahrlich guter Schauspieler zu sein. Elane glaubte ihm kein Wort. Sie bemitleidete ihn. Die Gefangenschaft hatte ihm den Verstand geraubt. Der gewaltsame Tod König Allorets und seiner Gemahlin infolge eines Attentats vor fast zweiundzwanzig Jahren war eine Tatsache, an der es nichts zu rütteln gab. Lediglich sie hatte man aus der Wiege retten können.
    Elane griff nach Jonneth’ Hand. Dieser warf ihr einen fragenden Blick zu, ließ die Berührung jedoch zu.
    »Mr. Breel, kommen Sie und geben mir den Brief meines Bruders«, sagte Adoran. Seine Stimme klang nicht mehr so fest wie zuvor. Es war seine Pflicht, als König zu jeder Zeit besonnen und gefasst aufzutreten, aber hier ging es um seine Familie. Elane wusste, dass er seinem Bruder nahe gestanden hatte, auch wenn er wenig von ihm sprach. Der Brief würde sich als Fälschung erweisen und dann liefe wieder alles seinen gewohnten Gang und sie würde sich auf ihre Hochzeitsnacht vorbereiten können.
    Mr. Breel tat, wie ihm befohlen, und reichte das zerfledderte Stück Papier mit zittrigen Händen an Adoran. Dieser begutachtete das Siegel.
    »Die Firunen beraubten uns unserer Würde, aber nicht

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