Jenseits des Windes
Boreys Tod war kein Zufall. Er war Mitwisser. Von ihm wusste Jaham auch deinen wahren Namen.« Elane seufzte. Ein Zitteranfall packte sie. »Ich denke, weder Jaham noch Jonneth sind sich bewusst, dass ich ebenfalls über eine Menge Informationen verfüge. Sie unterhielten sich unvorsichtig offen, wenn ich mich im selben Raum befand. Wenn sie geahnt hätten, was ich alles weiß, säße ich jetzt wohl nicht hier. Ich gehe unter keinen Umständen zurück.« Die Worte klangen endgültig und doch so unwirklich. Elane hörte sie sich sprechen, als gehörte ihre Stimme nicht ihr. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, wie groß die Gefahr gewesen war, in der sie die ganze Zeit über geschwebt hatte. Sicher hatte Jonneth sie nach Budford geschickt, um sie loszuwerden. Vielleicht sogar durch den Säufer. Elane legte langsam die Finger an die zitternden Lippen.
Sie konnte von Glück reden, dass sie überhaupt noch lebte ...
Fünfzehn
Aufbruch
K joren erhob sich mit einem schwungvollen Satz von der Mauer und klatschte in die Hände. Seine Neugier war vorerst befriedigt. Bevor noch jemand sentimental wurde, wollte er lieber gehen. »Für mich wäre die Angelegenheit dann wohl geklärt«, sagte er. »Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich hatte einfach das Pech, mich mit dem falschen Namen geschmückt zu haben.« Er schnaubte. »Ich benutze ab sofort einen anderen und bin raus aus der Sache.« Er nickte den anderen zum Abschied zu. »Ihr kommt auch ohne mich zurecht. Ich muss zu meinem Vater, das Luftschiff wartet nicht auf mich.«
Er wandte sich ab, aber Elanes zarte Stimme hielt ihn zurück. »Das täte ich an deiner Stelle nicht. Ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber ich halte das für keine gute Idee.«
Abrupt drehte sich Kjoren um. Elane sah ihn mit ihren großen grünen Augen an. Auf ihrer Stirn hatte sich eine Falte gebildet. Einige Strähnen ihres langen Haars hatten sich aus dem notdürftig zusammengefassten Zopf gelöst und wehten ihr um den Kopf. Für eine Valanin sah sie akzeptabel aus, schade, dass sie seine Einladung auf einen Tee nicht angenommen hatte. Sich endlos im Kreis drehende Diskussionen um irgendwelche valanischen Thronerben verschwendeten seine Zeit.
»Und weshalb sollte ich nicht zum Schiffsanleger gehen?«, verlangte Kjoren zu wissen. »Ich habe doch nicht umsonst wochenlang geschuftet und Geld gespart. Ich muss sicherstellen, dass es meinem Vater gut geht, weil ...« Er ließ den Satz in der Luft hängen. Beinahe hätte er ihr von seiner Flucht erzählt. Es war besser, wenn möglichst wenige davon wussten, und erst recht niemand, der in Verbindung mit dem Königshaus stand. Er sollte besser achtgeben, wem er heikle Informationen anvertraute. Immerhin war Elane eine Fremde.
»Zufällig weiß ich, dass es den Firunen nicht mehr gestattet ist, Luftschiffe zu benutzen«, sagte sie. »Du kannst Lyn nicht verlassen, jedenfalls nicht auf diesem Weg.« Sie spitzte trotzig die Lippen und klimperte ihn aus dichten Wimpern an. »Es sei denn, du möchtest deine Flügel gebrauchen. Aber auch das halte ich angesichts des Abschussbefehls für fliegende Firunen für unklug.«
Zunächst verspürte Kjoren Wut angesichts ihrer arroganten Unverfrorenheit, doch schnell wandelte sich sein Gram in Entsetzen. Wenn sie recht hatte, käme es einer Katastrophe gleich! Ona war seine Heimat, und dort wollte Kjoren sterben. Die dichten Urwälder, das warme Klima ... Er konnte nicht glauben, was sie erzählte. Aber wunderte es ihn tatsächlich? Er hatte gesehen, wie man die Firunen von Budford in Gettos zusammenpferchte. Weitere Auflagen seitens der Regierung erschienen wie eine logische Konsequenz. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals. War ein Leben im Armenviertel auch seine Zukunft? Er würde niemals mit der Ungewissheit leben können, nicht zu wissen, ob es seinem Vater gut ging. Vielleicht sollte er ihm einen weiteren Brief schreiben? Schlechte Idee. Womöglich überprüften die Valanen längst den Schriftverkehr.
»Hast du mir vielleicht noch irgendetwas anderes zu sagen, w as ich wissen sollte?«, zischte er in Ermangelung einer besseren Antwort. Seine Stimme klang harscher als beabsichtigt. Elane wich ein paar Zoll zurück und machte ein erschrockenes Gesicht. Seine Wut galt eigentlich nicht ihr, aber sie bekam sie trotzdem zu spüren.
Elane senkte den Blick, Blut schoss in ihre Wangen. Kjoren konnte nicht einschätzen, ob sie sich durch seinen Ton gekränkt fühlte oder ob sie herumdruckste, weil sie tatsächlich
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