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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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Ziegelsteinen. Mit Macht verdrängte sie den Gedanken an das verlorene Dokument, denn jedes Mal, wenn sie sich Jonneth‘ Wut über dessen Verlust vor Augen führte, schüttelte sie die pure Panik. Es stand außer Frage, dass sie sich nicht zurück nach Valana trauen konnte. Mehr als einmal hatte Jonneth sie mit dem Tode bedroht, und er würde nicht davor zurückschrecken, sie in seiner Wut zu erschlagen. Elane wusste nicht einmal, was auf dem Stück Papier geschrieben stand und weshalb es von so großer Wichtigkeit für Jonneth war. Sie hatte lediglich eine Unterschrift erbeten und den verschlossenen Umschlag an sich genommen. Sicherlich ging es um illegale Waffenlieferungen. Sie hatte Jaham mehrfach darüber lamentieren hören. Vermutlich hatte Sergeant Fratch, der sie eigentlich beschützen sollte, längst allein den Rückweg nach Valana angetreten. Er würde erzählen, Elane sei weggelaufen, dessen war sie sich sicher. Fratch war nicht nur ein Säufer, sondern auch ein Feigling. Er würde nicht zögern, über Leichen zu gehen, wenn er dafür seine Haut retten konnte. Niemals würde er zugeben, dass er seinen Pflichten nicht nachgekommen war. Elane empfand ein wenig Erleichterung, dass sie nun frei war. Der Vorfall hatte ihr eine längst überfällige Entscheidung abgenommen. Eine unbekannte Zukunft stand ihr bevor, aber sie hätte nicht länger bei Jonneth bleiben können. Sie spürte die Blicke ihrer wartenden Begleiter und rang ihre Verzweiflung nieder. Selbst wenn sie in dieser schrecklichen Stadt den Tod fand – den hätte ihr Jonneth früher oder später ohnehin beschert. Eine Tatsache, die sie bislang allzu gern verdrängt hatte. Die Erkenntnis traf sie wie eine Ohrfeige. All die Wochen hatte sie immer noch daran geglaubt, aus einem schrecklichen Traum zu erwachen. Sie spürte einen Kloß im Hals. Wie um alles in der Welt sollte sie allein überleben? Eine Frau, die nie gelernt hatte, für sich zu sorgen? Elane unterdrückte die Tränen, die ihr in die Augen stiegen. Ein Räuspern riss sie aus ihren Gedanken. Sie wandte den Kopf.
    »Woher kennst du mich?«, fragte Leroy. Seine Stimme war leise, er wirkte verletzlich, als kämpfte er ebenso wie sie gegen Tränen an. Kjoren, der Firune, saß mit verschränkten Armen zwischen ihnen und sah sie abwechselnd mit erwartungsvollen Blicken an. Elane fühlte sich unwohl in seiner Nähe, obwohl er nicht unfreundlich zu ihr gewesen war. Es war mehr seine direkte, forsche Art, die ihr Angst machte.
    Elane sammelte all ihren Mut. »Zunächst wusste ich nicht, woher ich dein Gesicht kenne. Doch als ich das Mal auf deinem Arm gesehen habe, ist es mir wieder eingefallen. Ich habe dich auf der Beerdigung von Mr. Borey gesehen.« Elane bemerkte, dass sie von einem Sie zum Du übergegangen waren, doch es störte sie nicht. Absolut unerheblich in der Situation. »Ich bin auch dort gewesen.«
    Leroy und Kjoren starrten sie ungläubig an. Also erzählte sie ihnen ihre ganze Geschichte. Sie ließ kein Detail aus, berichtete von ihrer arrangierten Hochzeit mit Jonneth, vom tragischen Tod ihres Onkels und ihrem schrecklichen Schicksal. Es tat gut, sich endlich einmal alles von der Seele zu reden, was sie bekümmerte, auch wenn es sich bei ihren Zuhörern um Fremde handelte. Auch Leroy erzählte, wie es ihm nach dem Giftanschlag ergangen war. Kjoren schwieg, was nicht zu seiner vorlauten Art passen wollte.
    »Dann bist du Elane Durvin, die Thronerbin?«, fragte Leroy ungläubig.
    »Das war ich einst. Jetzt bin ich Elane Venell , die Sklavin.« Ihre Stimme brach. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass neben ihr der Mann saß, dem sie ihr Unglück zu verdanken hatte. Bevor Wut aufsteigen konnte, unterdrückte sie das Gefühl. Leroy – Cyles – traf keine Schuld. Er war ebenso ein Opfer wie sie.
    »Ich habe von der Hochzeit in der Zeitung gelesen«, sagte Leroy. Anscheinend wusste er nicht, wie er reagieren sollte. »Weshalb wollte irgendwer mich loswerden? Ich bin für niemanden eine Gefahr.«
    Elane öffnete den Mund, doch Kjoren kam ihr zuvor. »Hast du der Dame nicht zugehört?«, bellte er. »Du bist der wahre Thronerbe! Jaham muss in Erfahrung gebracht haben, dass man dich in Leroy umbenannt hat.«
    »Dann war Adorans Tod auch kein Unfall?« Leroy wich das letzte bisschen Farbe aus dem Gesicht.
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte Elane. Es versetzte ihr einen zusätzlich quälenden Stich, ihren geliebten Onkel auf diese Weise verloren zu haben. »Ich habe viel mitbekommen. Auch

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