Jenseits des Windes
steinige Boden erleichterte ihnen die Reise nicht gerade, Dornenbüsche zerkratzten ihnen Arme und Beine. Elane murrte nicht, doch er merkte ihr das Missbehagen deutlich an. Sicherlich war es für eine Dame, die ihr Leben lang von Dienern und Zofen umgarnt worden war, eine Zumutung. Elane hatte ihr altes Leben scheinbar rasch hinter sich gelassen und sich kopfüber in eine ungewisse Zukunft gestürzt. Bis zu einem gewissen Grad brachte er Verständnis für ihr mädchenhaftes Verhalten auf, doch eine Zicke blieb sie dennoch. Jedes Mal fuhr sie zusammen, wenn eine Schlange oder Spinne ihren Weg kreuzte. Wenn er sie auslachte, warf sie ihm einen bitterbösen Blick zu. Elane machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen ihn. Sie hielt ihn auf Abstand. Leroys Nähe hingegen suchte sie immer wieder. Als sie am Abend in einer moosbewachsenen Mulde rasteten, versuchte sie sogar, Leroy im Umgang mit seinem Magischen Mal zu unterrichten. Es verleihe ihm Macht über die Metalle, besonders aber über Bluteisen. Leroy versuchte ein paar Mal, die Metallschnallen an Kjorens Rucksack zu bewegen, doch er blieb erfolglos. Nach einigen weiteren missglückten Versuchen gab er auf. Elane hingegen demonstrierte ihm bereitwillig zum hundertsten Mal, wie man es richtig machte. Sie entfernte Kjorens Halsband, ohne es zu berühren.
»Es wäre besser, wenn du das fortan nicht mehr trägst«, sagte sie und warf es weit in das Gebüsch. »Wir müssen unerkannt bleiben.«
Kjoren schüttelte sprachlos den Kopf. Er wusste nicht, ob sie es ernst meinte, oder ob sie sich insgeheim wünschte, man würde ihn fassen und gefangen nehmen. Er rieb sich den Hals. Es fühlte sich seltsam befreiend an, so ganz ohne das Gewicht auf den Schlüsselbeinen. Sein Blut kribbelte in den Adern, wie es seine Magie immer tat, wenn er das Halsband abnahm. Sie durchfloss ihn, doch er hatte keinen Zugang dazu, denn er hatte nie davon Gebrauch gemacht. Seit er denken konnte, verfolgte ihn die Angst vor der Todesstrafe wie ein vernichtender Schatten. Er war nie erpicht gewesen, den valanischen Henker persönlich kennenzulernen.
Die Nacht brach herein und mit ihr die Kälte. Sie legten sich erschöpft auf den harten Boden unter einer alten Eiche. Stöcke, Steine und Wurzeln drückten ihm in den Rücken und er fröstelte, denn der Winter stand kurz vor der Tür. Der stetig wehende Wind kühlte seinen Körper aus und den anderen erging es sicher nicht besser. Wäre er nicht völlig am Ende seiner Kräfte, wäre er weitergelaufen, um nicht zu erfrieren. Seine Beine fühlten sich bereits taub an. Als Elanes Zähne begannen, unkontrolliert aufeinanderzuklappern, vergaßen sie Anstand und Schamgefühl und drängten sich dicht aneinander. Elane nahmen sie in die Mitte. Zumindest bewahrte es sie vor dem Erfrierungstod.
Noch vor dem ersten hellen Flimmern am Horizont marschierten sie weiter. Kjorens Magen knurrte und sie schätzten sich glücklich, als sie einige genießbare Beeren an einem Rotblattstrauch entdeckten. Ihm gelang es, Knollen der weiß blühenden Wintermilch auszugraben, die besonders tief lagen und schwer zwischen Gestrüpp zu erkennen waren. Wie gut, dass er sich in der Wildnis auskannte. Mittlerweile benahm sich auch Elane ihm gegenüber nicht mehr ganz so feindselig. Immerhin verdankten sie ihre nicht mehr knurrenden Mägen seinen Kenntnissen.
Die Landschaft hatte sich kaum verändert, seit er das letzte Mal hier gewesen war, einzig das Voranschreiten der Jahreszeiten hatte seine Spuren hinterlassen. Sie wanderten durch eine Einöde aus niedrigem Buschwerk, Felsen und Dornsträuchern. Am zweiten Tag gelang es ihm, ein Kaninchen mit einer Fangschlinge aus Draht zu erlegen, die er aus der Notfallausrüstung gebastelt hatte. Doch sie hielten es nicht für ratsam, so nahe der Straße ein Feuer zu entzünden, deshalb strauchelten sie weiter querfeldein nach Osten. Erst nach über einer Stunde gestatteten sie sich, zu rasten, um ein Feuer zu entzünden. Sie beschlossen einstimmig, in der kommenden Nacht abwechselnd wach zu bleiben, um frisches Holz nachzulegen. Das Feuer sorgte nicht nur für herrlich duftendes gebratenes Kaninchenfleisch, sondern auch für eine angenehme Wärme.
Am Morgen beseitigten sie ihre Spuren und löschten das Feuer mit Sand. Kjoren schätzte, dass sie bis zum Abend Feddys erreichen konnten, wenn sie zügig weitergingen. Je näher ihr Ziel rückte, desto weniger sprachen sie. Anfangs hatten sie noch darüber diskutiert, ob ihr Vorhaben dumm
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