Jenseits des Windes
noch etwas wusste, w as sie ihm nicht sagen wollte.
»Elane, gibt es sonst noch etwas, w as du mir sagen willst?« Ein zweiter Anlauf. Diesmal bemühte er sich, seine Stimme so sanft wie möglich klingen zu lassen.
Elane hob den Blick. Auch Leroy sah sie gebannt an.
»Ich denke, Jaham lässt die Firunen nicht umsonst in gesonderte Stadtviertel umsiedeln«, flüsterte sie. »Ich möchte keine Angst verbreiten, aber ich glaube, er will sie versklaven. Oder töten. Oder zuerst das eine und dann das andere. Er hasst sie wie sonst nichts auf der Welt.«
Der Schock angesichts ihrer Worte ließ Kjorens Herz schneller schlagen, bis das rhythmische Rauschen seines Blutes in den Ohren jedes andere Geräusch zu ersticken drohte. Er kannte Elane kaum, aber etwas in ihrem Blick verriet ihm, dass sie nicht log. Sie saß zusammengesunken auf der Mauerkante und erweckte den Eindruck eines geprügelten Hundes, der die Härte der Venells schon oft zu spüren bekommen hatte.
»Das kann er nicht tun!« Kjorens Stimme klang schrill und kippte, doch zumindest war es ihm gelungen, seine gelähmte Zunge zu bezwingen und einen ganzen Satz zu sprechen. Er ließ sich kraftlos neben Elane auf die Mauer zurücksinken. Seine Beine fühlten sich an wie aus Gummi. Er konnte nicht fassen, dass ein König – und noch dazu ein unrechtmäßiger König – so etwas veranlasste. Kjoren hatte die Valanen schon immer für ihre Arroganz verachtet, und er hatte gedacht, die Halsbänder aus Bluteisen seien bereits ein schweres Los, aber Elanes Behauptungen übertrafen die bisherigen Schikanen bei Weitem.
»Kann man ihn nicht irgendwie daran hindern?« Laut ausgesprochen klang es wie eine törichte Frage, aber er war bereit, nach jedem Strohhalm zu greifen. Sein Blick glitt hinüber zu Leroy, der blass wie eine Leiche mit ausdrucksloser Miene geradeaus starrte.
»Es gibt nur eine Möglichkeit«, flüsterte Elane. Ihre Stimme drang so leise an sein Gehör, dass er sie kaum verstehen konnte. »Du müsstest Cyles – ich meine natürlich Leroy – zu seinem Recht verhelfen. Er müsste den Thron zurückerobern.« Elanes Gesicht verzog sich zu einem verbitterten Lächeln. Offensichtlich war es ein sensibles Thema für sie, immerhin hatte sie jahrelang geglaubt, sie sei die Thronerbin.
Noch während er ihr zustimmte, erwachte Leroy aus seiner Paralyse. »Ich mache da nicht mit«, sagte er und klang wie ein trotziges Kind. »Ich kann überhaupt nichts beweisen und ich möchte meine Ruhe. Ich wäre schon froh, wenn ich mich irgendwo vor den Kopfgeldjägern verstecken könnte. Ich bin nicht so dämlich, mich nochmals freiwillig öffentlich zu präsentieren.«
Elane schenkte ihm ein verständnisvolles Lächeln. In diesem Moment wirkte sie wie eine Mutter, die mit ihrem Kind sprach. »Du hast einen Beweis, das Magische Mal auf deinem Arm, auch wenn es nicht vollständig ist.«
Kjoren nickte, unendlich froh, in diesem Punkt eine Verbündete gefunden zu haben. Wenn es tatsächlich die einzige Möglichkeit war, dem Irrsinn ein Ende zu setzen, würde Kjoren alles dafür unternehmen, Leroy auf den Thron zu prügeln. Es ging um Leben und Tod! Seine Wut wütete bereits lange genug in ihm, um es allein mit hundert Leibwachen des Königs aufzunehmen, nur um Jaham an die Gurgel zu gehen. Die unsinnige Diskussion um den Thronerben hatte doch tatsächlich noch an Bedeutung gewonnen.
»Ich kann mit diesem Mal nichts anfangen«, sagte Leroy und verschränkte die Arme vor der Brust. »In mir wohnt keine Magie.«
»Ich könnte dir zeigen, wie man damit umgeht«, sagte Elane. Anscheinend sah auch sie in Leroy die Chance für ein Leben ohne Angst.
»Nein, nein, nein und nochmals nein. Vergesst das bitte.« Leroy fuchtelte vor seinem Körper herum, als wollte er Fliegen verscheuchen.
Jetzt schien seine Überzeugungskraft gefragt. Er räusperte sich, um Leroys Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Und was ist mit deiner Familie? Sind sie nicht auch Firunen? Du hast mir doch erzählt, du wärest bei Firunen aufgewachsen. Willst du sie im Stich lassen?« Kjoren konnte beinahe sehen, wie es in Leroys Kopf arbeitete, und wie ihm jäh eine Erkenntnis wie Schuppen von den Augen zu fallen schien. Kjoren verspürte ein Gefühl von Selbstzufriedenheit. Wie überzeugend er geklungen hatte! Ha!
Hilfe suchend glitt Leroys Blick zwischen Elane und ihm hin und her, doch sie sahen ihn nur in Erwartung einer Antwort fragend an.
»Was soll ich denn eurer Meinung nach tun?« Leroys Stimme
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