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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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West-Fenn kam ihr der Gedanke, dass man sie beobachten könnte. Es gab zwar keine valanischen Städte auf der Insel, dennoch war sie bewohnt.
    Und wer wusste schon, wie die einheimischen Firunen auf zwei Fremde reagierten?
    »Glaubst du, es ist gefährlich hier?«, fragte Elane beinahe im Flüsterton.
    Leroy drehte sich zu ihr um und zog die Augenbrauen hoch. »Wenn dies dein einziges Problem ist, dann würde ich gern mit dir tauschen. Die Firunen beobachten uns schon, seit wir hier gelandet sind. Hast du es nicht bemerkt? Ein Rascheln im Busch, knackende Äste ... Wenn sie es auf uns abgesehen hätten, wären wir gar nicht erst so weit gekommen.«
    Elane durchzuckte ein Schreck, als hätte ihr jemand gegen die Kniekehlen getreten. War sie tatsächlich so unaufmerksam? Leroy schien die Angst und die Verwirrung in ihrem Blick zu lesen, denn er fügte versöhnlich hinzu: »Mach dir deswegen keine Sorgen. Ich bin bei den Firunen auf dem Land aufgewachsen. Meine Auffassungsgabe hinsichtlich solcher Dinge ist wohl etwas schärfer als deine.« Er rang sich ein Lächeln ab, doch es drang nicht bis zu seinen Augen. Er deutete nach vorn. »Siehst du das Kloster? Es ist dort oben auf der Kuppe des Hügels. Es ist noch klein am Horizont, aber ich kann den Glockenturm schon sehen.«
    Elane verengte die Augen zu Schlitzen und schirmte sie mit der Handkante gegen das helle Licht ab, aber sie konnte am Horizont nichts erkennen. Anscheinend war nicht nur Leroys Gehör, sondern auch seine Sehkraft besser als ihre.
    Sie waren keine drei Schritte weiter den Hügel hinaufgegangen, als Leroy plötzlich wie von einer Tarantel gebissen herumfuhr und den Kopf in den Nacken warf. Elane zuckte zusammen.
    »Da kommt jemand«, knurrte er. Elane spähte nach oben. Leroy hatte recht. Etwas näherte sich aus der Luft. Es war noch weit entfernt und kaum zu erkennen, aber es kam mit hoher Geschwindigkeit auf sie zu. Ein Geschoss? Ein Angreifer? Sie blickte panisch nach links und rechts, doch sie standen mitten auf einem felsigen Hügel, nirgends gab es eine Möglichkeit, sich zu verstecken. Sie hielt die Luft an, duckte sich instinktiv, verschränkte die Arme über dem Kopf und schloss die Augen. Nur einen Herzschlag später spürte sie einen starken Luftzug und vernahm das Geräusch zweier Schuhe, die auf dem Felsboden neben ihr aufkamen und über Schotter rutschten. Noch bevor sie die Lider öffnete, hörte sie Leroys überraschte Stimme.
    »Kjoren!«
    Elane riss die Augen auf. Ihre Knie zitterten. Tatsächlich. Kjoren stand zwischen ihr und Leroy, als sei er aus dem Nichts aufgetaucht. Über seinem Kopf spannte sich ein gewaltiges nachtblaues Flügelpaar. Elane starrte ihn an wie eine Geistesgestörte, sie vermochte kaum, den Mund zu schließen. Niemals hatte sie geglaubt, Kjoren einmal fliegen zu sehen. Hatte er ihr nicht erzählt, er hätte es nie gelernt und würde es auch niemals tun?
    Doch jetzt stand er neben ihr, ein süffisantes Grinsen auf dem Gesicht. Sein blondes Haar lag kurz geschoren an und war dennoch zerzaust, seine Kleidung starrte vor Dreck. Elane starrte ihn noch immer fassungslos an, als seine imposanten Flügel sich allmählich aufzulösen schienen. Es war der unglaublichste, verstörendste und zugleich wunderbarste Anblick, der sich ihr je geboten hatte. Erleichterung und Freude beschwingten sie, ihr Herz schlug so heftig gegen ihre Rippen, dass sie befürchtete, es würde aus ihrer Brust springen. Auch Leroys Augen glühten weit aufgerissen vor Freude. Niemand sagte ein Wort, bis Kjoren seine Sprache als Erster fand.
    »Ich habe lange gebraucht, um euch zu finden. Ich wusste nicht, wo ich suchen sollte. Ich bin fest davon ausgegangen, dass ihr tot seid. Dann dachte ich, es könnte nicht schaden, nach West-Fenn zu fliegen und siehe da ...« Er plapperte munter drauflos, als unterhielte er sich mit ihnen über das Wetter. Seine Wangen glichen rosigen Äpfeln und seine Augen leuchteten. Die Verwandlung war unfassbar. Sie hatte sich tagelang Sorgen um ihn gemacht, und er flog mir nichts dir nichts durch die Gegend, nur, um sie zu suchen!
    »Am Anfang war es wirklich nicht einfach«, fuhr er in seinem Redefluss fort. »Außerdem ist ganz Lyn verseucht von Soldaten. Ich konnte mich befreien, aber sie haben einen berittenen Boten nach Valburg geschickt, ich konnte ihn nicht aufhalten. Unterwegs habe ich ein Luftschiff gesehen, das nach Norden unterwegs war. Das ist schon zwei Tage her.« Völlig außer Atem rang er nach

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