Jenseits von Afrika
Professor der Naturwissenschaft kam zu mir auf die Farm und bat mich, bei der Jagdverpachtung für ihn ein gutes Wort einzulegen. Er sei, erzählte er mir, nach Afrika gekommen, um zu ermitteln, in welchem Embryonalstadium der Fuß des Affen, der einen Daumen hat, beginne, sich von dem Fuß des Menschen zu unterscheiden. Zu diesem Zweck habe er vor, auf dem Mount Elgon Colobusaffen zu schießen.
»Bei den Colobusaffen werden Sie kaum etwas ermitteln können«, meinte ich, »sie leben in den Wipfeln der Zedern und sind scheu und schwierig zu erjagen. Es müßte schon ein seltener Zufall sein, wenn Sie das Embryo erwischten, das Sie brauchen.« Der Professor war voller Zuversicht, er wollte so lange im Gebirge bleiben, bis er seinen embryonalen Fuß hatte, und wenn es Jahre dauerte. Er hatte bei der Jagdverwaltung um die Erlaubnis nachgesucht, die Affen, die er brauchte, zu schießen. Er war angesichts der hohen wissenschaftlichen Bedeutung seiner Expedition sicher, daß die Erlaubnis erteilt würde, hatte aber vorerst noch keine Antwort erhalten. »Wie viele Affen haben Sie denn in Ihrem Gesuch angegeben?« fragte ich ihn. Er sagte, er habe vorläufig um Erlaubnis gebeten, fünfzehnhundert Affen zu schießen. Ich kannte die Herren von der Jagdverwaltung und war ihm behilflich, einen Brief aufzusetzen, in dem er um postwendenden Bescheid nachsuchte, da ihm daran liege, so bald wie möglich mit seinen Forschungen zu beginnen. Die Antwort der Jagdverwaltung kam in der Tat diesmal postwendend. Die Jagdverwaltung sei erfreut, hieß es darin, Professor Langrin mitteilen zu können, daß sie sich, mit Rücksicht auf den wissenschaftlichen Zweck seiner Expedition, in der Lage sehe, eine Ausnahme zu machen und die Zahl der Affen auf seinem Jagdschein von vier auf sechs zu erhöhen. Ich mußte dem Professor den Brief zweimal vorlesen; als er schließlich den Inhalt begriff, war er so niedergeschlagen, so zu Tode getroffen und gekränkt, daß er kein Wort hervorbrachte. Die Bekundung meines Beileids ließ er unerwidert, ging aus dem Hause, stieg in seinen Wagen und fuhr geknickt davon.
Solang sich ihm das Schicksal nicht gehässig zeigte, war der Professor ein netter Plauderer und ein witziger Mann. Im Laufe unserer Debatten über die Affen belehrte er mich über die verschiedensten Probleme und entwickelte mir seine Ideen. Eines Tages sagte er: »Ich möchte Ihnen eine interessante persönliche Erfahrung mitteilen. Auf dem Mount Elgon ist es mir möglich gewesen, einen Augenblick lang an das Dasein Gottes zu glauben. Was sagen Sie dazu?« Ich sagte, das sei interessant, und dachte mir: Eine andere Frage würde mich interessieren: War es wohl Gott auf dem Mount Elgon möglich, einen Augenblick lang an das Dasein des Professors Langrin zu glauben?
Karomenya
Auf der Farm lebte ein Knabe von neun Jahren namens Karomenya, der war taub und stumm. Die anderen Kinder fürchteten ihn und beklagten sich, weil er sie schlug. Ich machte die Bekanntschaft Karomenyas, als seine Spielgefährten ihn mit einem Baumast auf den Kopf geschlagen hatten, so daß seine rechte Backe geschwollen und voller eiternder Splitter war, die man mit einer Nadel herausholen mußte. Das war für Karomenya keine so große Qual, als man meinen möchte; denn wenn es ihm auch weh tat, so brachte es ihn doch in Kontakt mit Menschen.
Karomenya hatte eine sehr dunkle Haut, schöne, glänzende schwarze Augen mit dichten Wimpern und einen ernsten, strengen Ausdruck, den kaum je ein Lächeln erhellte. Er hatte etwas von einem kleinen schwarzen Bullen. Er war ein lebensvolles, tatkräftiges Geschöpf, und da ihn keine Sprache mit der Welt verband, wurde ihm der Kampf zum Ausdruck seines Daseins. Er hatte ein besonderes Geschick im Schleudern von Steinen und konnte mit großer Genauigkeit treffen, was er wollte. Eine Zeitlang hatte er Bogen und Pfeile, mit denen gelang es ihm aber nicht so gut; das Gehör für den Klang der Sehne scheint für die Kunst des Bogenschützen unentbehrlich zu sein. Karomenya war stämmig gebaut und sehr stark für sein Alter. Wahrscheinlich hätte er diese Überlegenheit über die anderen Buben nicht gegen die Gabe der Sprache und des Gehörs vertauscht, auf die er, wie mir schien, nicht eben große Stücke hielt.
Karomenya war bei allem Kampfgeist kein unfreundliches Kind. Wenn er merkte, daß man sich ihm zuwandte, erhellte sich gleich sein Gesicht, nicht zu einem Lächeln zwar, aber zu einer bereiten, entschiedenen Wachheit. Karomenya
Weitere Kostenlose Bücher