Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
Vom Netzwerk:
das heißt, die Gegend war vom Küstenfieber verseucht; wenn man also Milchkühe halten wollte, mußte man seine Herde desinfizieren. Das erschwerte die Konkurrenz mit den Viehzüchtern im fieberfreien Inland: Dafür war ich allerdings so nah bei Nairobi, daß ich die Milch morgens mit Wagen zur Stadt schicken konnte. Wir hatten früher eine Herde rassereiner Milchkühe besessen und in der Steppe eine prächtige Viehschwemme gebaut. Aber wir hatten alles wieder verkaufen müssen, und die Schwemme ragte nur noch ins Leere – wie das grasüberwucherte, eingesunkene Gemäuer eines verfallenen Schlosses. Wenn ich späterhin abends um die Melkzeit bei Mauges oder Kaninus Borna vorüberkam und den warmen Duft der Kühe roch, dann packte mich immer wieder die Sehnsucht nach eigenen Kuhställen und einer eigenen Molkerei. Wenn ich auf die Steppe hinausritt, sah ich sie im Geiste von gesprenkelten Kühen wie von Blüten übersät.
    Aber derlei Pläne rückten im Lauf der Jahre in weite Ferne, bis sie dem Auge völlig entschwanden. Ich sann ihnen auch nicht nach, solang es mir nur gelang, den Kaffeeanbau rentabel zu halten und die Farm zu retten.
    Es ist eine schwere Bürde, eine Farm allein auf seinen Schultern zu tragen. Meine schwarzen und sogar die weißen Angestellten überließen mir die ganze Angst und Sorge um ihr Geschick, und zuweilen schien mir’s, daß auch die Ochsen der Farm und die Kaffeebäume das gleiche taten. Es war, als wären sie miteinander übereingekommen, alle die redenden und stummen Geschöpfe, daß ich schuld war, wenn der Regen sich verspätete und die Nächte kalt waren. Und abends schien mir’s wie ein Unrecht, still mit einem Buch dazusitzen, die Furcht, mein Haus zu verlieren, trieb mich zum Hause hinaus. Farah kannte meinen Kummer, aber er mißbilligte meine nächtlichen Wanderungen und sprach von den Leoparden, die nach Sonnenuntergang dicht beim Hause gesehen worden seien; er stand auf der Veranda, ein weißgewandeter, kaum erkennbarer Schatten, bis ich wieder heimkam. Aber ich war zu betrübt, um für die Sorge um Leoparden Raum zu haben, ich wußte, daß ich nichts damit erreichte, wenn ich nachts auf den Wegen der Farm umherschlich, und ging doch hinaus wie ein Gespenst, dem befohlen ist zu wandern, das nicht weiß, warum und wohin.
    Zwei Jahre bevor ich Afrika verließ, war ich zu Besuch in Europa. Meine Rückreise fiel in die Kaffee-Erntezeit, so daß ich keine Nachrichten von den Erträgen erhalten konnte, ehe ich in Mombasa eintraf. Auf dem Schiff wälzte ich immerfort das eine Problem in meinem Sinn. Ging es mir gut, schaute mich das Leben freundlich an, dann schätzte ich, daß wir wohl fünfundsiebzig Tonnen ernten würden; fühlte ich mich schwach oder nervös, dann sagte ich mir, sechzig Tonnen müßten wir mindestens haben.
    Farah kam mir nach Mombasa entgegen, und ich wagte nicht, ihn sofort nach dem Kaffee-Ertrag zu fragen. Wir plauderten eine Zeitlang von anderen Dingen, die sich auf der Farm zugetragen hatten. Aber abends, als ich zu Bett gehen wollte, konnte ich’s nicht länger aufschieben und fragte ihn, wieviel Tonnen Kaffee im ganzen auf der Farm gepflückt worden seien. Die Somali machten sich gewöhnlich ein Vergnügen daraus, ein Unheil zu verkünden. Aber Farah machte es diesmal keine Freude; tiefernst blieb er an der Tür stehen, schloß halb die Augen, legte den Kopf zurück, seinen Schmerz zu verwinden, und sagte: »Vierzig Tonnen, Memsahib.« Da wußte ich, daß wir die Farm nicht mehr halten konnten. Alle Farbe und alles Leben wich ringsum aus der Welt, das trübe stickige Hotelzimmer in Mombasa mit dem Zementfußboden, der alten eisernen Bettstatt und dem schäbigen Moskitonetz wurde zum erschreckenden Symbol des Daseins bar jeden Zierats, jeder Spur von Schönheit menschlichen Lebens. Ich sagte kein Wort mehr zu Farah, und auch er sagte nichts mehr; er ging hinaus, und mit ihm schwand das letzte liebe Wesen aus der Welt.
    Aber die menschliche Seele hat eine große Macht der Selbsterneuerung, und mitten in der Nacht faßte ich, wie der alte Knudsen, den Gedanken, vierzig Tonnen seien doch immerhin noch etwas, und Pessimismus, Pessimismus sei das Urlaster. Jetzt durfte ich jedenfalls heimfahren, noch einmal in meinen vertrauten Weg einbiegen und den roten Giebel meines Hauses aus dem Wald treten sehen. Dort warteten die Meinen, und meine Freunde würden kommen, mich zu besuchen. Binnen zehn Stunden würde ich von der Bahn aus die blaue Silhouette der

Weitere Kostenlose Bücher