Jenseits von Afrika
Ngongberge am Horizont erblicken.
In diesem Jahre kamen die Heuschrecken ins Land. Es hieß, sie kämen von Abessinien, wo zwei Jahre Dürre geherrscht habe, und wanderten südwärts und vertilgten allen Pflanzenwuchs auf ihrem Wege. Bevor wir sie noch zu sehen bekamen, gingen grausige Berichte im Lande um von den Verwüstungen, die sie hinterlassen hätten – die Maisund Weizen- und Obstfarmen des Nordens, in denen sie gehaust hatten, waren nur eine öde Wüste. Die Siedler sandten Boten an ihre Nachbarn im Süden, um das Herannahen der Heuschrecken anzukündigen. Viel konnte man nicht gegen sie tun, auch wenn man gewarnt war. Auf allen Farmen hielten die Leute Haufen von Reisig und Maisstroh bereit und entfachten sie, sowie die Heuschrecken kamen; sie schickten alle Arbeiter mit leeren Blechbüchsen und Kübeln aufs Feld und ließen sie schreien und grölen und an die Büchsen schlagen, um den Schwarm vom Lande abzuhalten. Aber das half immer nur eine Weile, denn die Farmer mochten Lärm schlagen, solange sie wollten, ewig konnten die Heuschrecken nicht in der Luft bleiben, und bestenfalls durfte ein Farmer hoffen, sie bis zur nächst südlichen Farm zu jagen, und je weiter das Ungeziefer von einer Farm zur anderen getrieben wurde, desto ausgehungerter und gieriger war es, wenn es sich schließlich niederließ. Ich hatte im Süden die große Steppe des Massaireservats, ich konnte hoffen, die Heuschrecken in Bewegung zu halten und über den Fluß zu den Massai zu treiben.
Drei oder vier Boten von benachbarten Siedlern hatten mir schon das Herannahen der Heuschrecken angezeigt, aber weiter war nichts erfolgt, und ich begann zu glauben, das Ganze sei ein blinder Alarm. Eines Nachmittags ritt ich zu unserer Duka hinüber, einem Kramladen, den Farahs jüngerer Bruder, Abdullai, für die Arbeiter und Squatter unterhielt. Er lag bei der großen Chaussee, und ein Inder, der mit seinem Maultierwägelchen unweit des Ladens vorbeikam, richtete sich vom Sitz auf und winkte mir von weitem, da er mit dem Wagen nicht aufs Grasland zu mir heranfahren konnte. »Entschuldigen Sie, gnädige Frau, aber die Heuschrecken sind auf dem Weg zu Ihrer Farm«, sagte er, als ich an ihn heranritt. »Das hat man mir schon mehrmals gesagt«, erwiderte ich, »aber sie sind nicht gekommen. Vielleicht ist’s nicht so schlimm, wie die Leute sagen.« – »Schauen Sie sich bitte um, gnädige Frau«, sagte der Inder. Ich sah mich um und sah am nördlichen Horizont einen Schattenstreif am Himmel, wie einen breiten Rauchschwaden über einer brennenden Stadt – »eine Millionenstadt speit Qualm in die reine Luft«, fiel mir ein – oder wie eine aufsteigende Wolke. »Was ist das?« fragte ich. »Heuschrecken«, sagte der Inder.
Ich sah ein paar Heuschrecken, vielleicht zwanzig im ganzen, auf dem Fußpfad durch die Steppe, den ich heimritt. Ich kam am Hause meines Verwalters vorbei und sagte ihm Bescheid, er solle alles zum Empfang der Heuschrecken bereithalten. Als wir beide nach Norden blickten, war die dunkle Wolke am Himmel etwas höher gestiegen. Von Zeit zu Zeit, während wir schauten, schwirrte eine Heuschrecke über uns weg oder fiel hin und krabbelte am Boden.
Als ich am anderen Morgen die Tür öffnete und hinaussah, war die ganze Landschaft draußen mit einer matten, schmutzigen Terrakottafarbe überzogen. Die Bäume, der Rasen, der Fahrweg, alles, was ich sehen konnte, war mit der Tünche bedeckt, als hätte sich über Nacht eine dicke Schicht von terrakottafarbenem Schnee über das Land gebreitet. Das waren die Heuschrecken. Während ich hinsah, begann das ganze Bild zu flimmern und zu zergehen, die Heuschrecken regten sich und flogen auf, nach wenigen Minuten brauste die Luft von ihren Flügeln, sie zogen weiter.
Diesmal richteten sie keinen großen Schaden auf der Farm an, sie waren nur die eine Nacht bei uns geblieben. Wir wußten nun, wie sie aussahen: anderthalb Zoll lang, bräunlichgrau und rötlich. Sie hatten einige große Bäume an meinem Fahrweg durch ihr Gewicht umgebrochen. Wenn man die Bäume anschaute und sich sagte, daß eine einzelne Heuschrecke vielleicht ein Zehntel einer Unze wog, begann man ihre unermeßliche Zahl zu ahnen.
Die Heuschrecken kamen wieder. Zwei oder drei Monate lang erlebten wir immerfort neue Angriffe auf die Farm. Wir gaben es bald auf, sie fortzuscheuchen, es war ein hoffnungsloses und tragikomisches Unterfangen. Manchmal machte nur ein kleiner Schwarm, ein Freikorps, das sich von der Hauptarmee
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