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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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Gefüge. So begann für mich eine seltsame Epoche meines Lebens auf der Farm. Die Wahrheit am Grunde dieses Daseins war, daß die Farm mir nicht mehr gehörte, aber so, wie die Umstände lagen, konnte die Tatsache von einem, der nicht begreifen konnte, mißachtet werden, den Gang der Tage änderte das nicht. So wurde diese Zeit zu einem stündlichen Unterricht in der Kunst, im Augenblick – man könnte auch sagen in der Ewigkeit – zu leben, in der die wirklichen Ereignisse der jeweiligen Gegenwart nur wenig bedeuteten.
    So seltsam es klingt: ich selbst habe in dieser ganzen Zeit nicht daran geglaubt, daß ich die Farm aufgeben oder Afrika verlassen mußte. Alle Menschen ringsum, lauter vernünftige Leute, sagten es, ich bekam von Hause mit jeder Post Briefe, die es mir bewiesen, und alle Begebenheiten meines Lebens deuteten darauf hin. Und doch lag kein Gedanke mir ferner, und ich blieb überzeugt, daß ich meine Gebeine in afrikanische Erde betten würde. Für diesen festen Glauben besaß ich keine andere Begründung oder Erklärung, als daß ich es mir anders nicht vorstellen konnte.
    Ich machte mir innerlich für diese bevorstehenden Monate ein Programm zurecht, einen Verteidigungsplan gegen das Schicksal und die Menschen meiner Umgebung, die seine Verbündeten waren. Ich will von nun an, nahm ich mir vor, in allem Unwichtigen nachgeben, um mir unnötige Sorge und Pein zu ersparen. Ich will in den Alltagsdingen, in allem, was zu schreiben und zu reden ist, meine Feinde gewähren lassen; denn am Ende werde ich doch triumphierend dastehen und meine Farm und meine Leute behalten. Verlieren, dachte ich, kann ich sie nicht: es ist nicht vorstellbar, also kann es nicht geschehen.
    So war ich von allen die letzte, die begriff, daß ich fortmußte. Wenn ich auf meine letzten Monate in Afrika zurückblicke, dann scheint es mir, als hätten die leblosen Dinge mein Scheiden schon lange vor mir geahnt. Die Berge, die Wälder, die Steppen und Flüsse, der Wind – sie alle wußten, daß ich im Aufbruch war. Sowie ich mich dem Schicksal ergab und die Verhandlungen über den Verkauf der Farm einsetzten, zeigte mir die Landschaft ein anderes Gesicht. Bis dahin war ich ein Teil von ihr, die Dürre war mein Fieber, die Blütendecke der Steppe mein neues Kleid gewesen. Nun löste sich das Land von mir, wich ein Stück weit zurück, daß ich es deutlicher, als ein Ganzes, überschauen konnte.
    So ergeht es einem zuweilen mit den Bergen in der letzten Woche vor der Regenzeit. Wenn man sie abends betrachtet, sieht man sie plötzlich eine große Bewegung machen und sich aller Hüllen entkleiden, sie stehen so greifbar, so klar und grell in Form und Farbe da, als wollten sie mit allem, was in ihnen lebt, auf einen eindringen, als könnte man von seinem Platz aus geradewegs in die grünen Hänge hineinspazieren. Man denkt: Wenn jetzt ein Buschbock ins Freie träte, ich würde seine Augen erkennen, wenn er den Kopf wendete, ich würde seine Ohren sich regen sehen, wenn ein Vogel sich auf den Zweig eines Busches setzte, ich würde ihn singen hören. In den Bergen im März bedeutet diese Entschleierung das Nahen des Regens, jetzt aber kündigte sie mir die Trennung an.
    Ich hatte es schon früher anderswo erlebt, daß sich ein Land in dieser Weise darbot, wenn man im Begriffe war, es zu verlassen, aber ich hatte vergessen, was es bedeutete. Mir schien nur, ich hätte das Land noch nie so schön gesehen, als müßte sein Anblick allein fürs ganze Leben glücklich machen. Licht und Schatten teilten sich in die Landschaft, und im Himmel über ihr wölbten sich Regenbogen.
    Wenn ich mit Weißen beisammen war, mit Anwälten und Geschäftsleuten in Nairobi oder mit Bekannten, die mir Ratschläge für die Heimreise gaben, dann bekam meine Isoliertheit etwas Seltsames, sie wurde zu einem leibhaftigen Wesen, das einen würgen wollte. Ich hielt mich für den einzigen vernünftigen Menschen unter ihnen allen, aber das eine oder andere Mal überkam mich der Gedanke: Wenn ich verrückt wäre und die anderen wären gesund – ich würde nicht anders empfinden.
    Die Schwarzen auf der Farm wußten, dank dem starken Realismus ihrer Seele, genau, wie die Dinge lagen und wie mir zumute war, als hätte ich ihnen eine Vorlesung gehalten oder alles in einem Buch niedergeschrieben. Und dennoch erwarteten sie Hilfe und Beistand nur von mir, und keiner unternahm es, über seine Zukunft auf eigene Faust zu verfügen. Sie taten, was sie konnten, um mich

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