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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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gelöst hatte, einen Vorstoß und stob rasch wieder davon. Aber manchmal kamen die Heuschrecken in mächtigen Heereszügen, die tagelang über die Farm hinstrichen; zwölf Stunden ohne Unterlaß heulte ihr Kriegsgeschrei durch die Luft. Wenn die Massen am dichtesten waren, klang es wie daheim ein wilder Schneesturm; pfeifend und kreischend wie schneidender Wind, schwirrten ringsum und über den Köpfen nichts als die kleinen, harten, rasenden Flügel, wie Stahlblättchen in der Sonne glitzernd und doch selbst die Sonne verfinsternd. Die Heuschrecken halten sich in einer niederen Schicht zwischen dem Boden und den Wipfeln der Bäume; darüber ist die Luft klar. Sie wirbeln einem ins Gesicht, sie kraufen hintern Kragen, in die Ärmel, in die Schuhe. Ihr Herumschwirren macht einen kribbelig und treibt einen in eine ohnmächtige Wut und Verzweiflung, in ein Grausen vor der Masse. Eine unausdenkliche Zahl kleiner Lebewesen erdrückt einen, der Pöbel, dessen Armseligkeit seine Stärke ist – denn die einzelnen gelten nichts, man kann sie töten, kein Finger rührt sich drum. Man ist in der Gewalt des Pöbels, seine schmierigen Finger greifen einem ins Genick, bis unter die Kleider. Wenn die Heuschrecken abgezogen sind und als langgestreckte, dünne Rauchfahne am Horizont verschwinden, bleibt am Gesicht und an den Händen, überall, wo sie herumgekrabbelt sind, noch lange Zeit der Ekel haften.
    Ganze Völker von Vögeln folgten dem Heuschreckenschwarm, kreisten über ihm, fielen ein und stelzten über die Felder, auf denen das Ungeziefer sich niederließ, und taten sich an ihm gütlich – Störche und Kraniche, protzige Kriegsgewinnler.
    Mehrere Male fielen die Heuschrecken über die Farm her. Der Kaffeepflanzung konnten sie nicht viel anhaben, die Blätter der Kaffeebäume, die Lorbeerblättern ähneln, sind zu hart für ihr Gebiß. Sie brachen nur hier und da einen der Bäume in der Pflanzung um.
    Aber die Maisfelder, auf denen sie gehaust hatten, boten ein trauriges Bild; nichts blieb auf ihnen zurück als ein paar Bündel dürrer Blätter an gebrochenen Stengeln. Mein Garten am Fluß, der bewässert und immer frisch bepflanzt war, glich einem Kehrichthaufen; Blumen, Gemüse und Kräuter – alles war weg. Die Äcker der Squatter waren wie Streifen gerodeten und abgesengten Neulands; der Boden war platt gewalzt von dem kraufenden Ungeziefer, ringsum lagen, als einzige Frucht der Erde, tote Heuschrecken im Staube. Die Squatter standen herum und schauten sie an. Die alten Weiber, die mit dem Kopf am Boden gehackt und gepflanzt hatten, ballten ihre Fäuste nach dem verschimmernden, dunklen Schatten am Himmel.
    Viele Tote ließ die Armee der Heuschrecken hinter sich zurück. Wo sie auf der Chaussee gehockt hatten und die Wagen und Karren über sie hingefahren waren, sah man, als der Schwarm sich verzog, die Radspuren deutlich abgezeichnet, wie Schienen einer Eisenbahn, so weit das Auge reichte, mit kleinen Leibern toter Heuschrecken ausgelegt.
    Die Heuschrecken hatten ihre Eier in die Erde gelegt. Im nächsten Jahr, nach der großen Regenzeit, krochen kleine schwarzbraune Larven hervor, Heuschrecken im ersten Lebensstadium, die noch nicht fliegen, sondern kriechen und alles vertilgen, was ihnen in den Weg kommt.
     
    Als ich kein Geld mehr hatte und die Einkäufe ausblieben, mußte ich die Farm verkaufen. Eine große Terraingesellschaft in Nairobi erwarb sie. Die Lage erschien ihr zu hoch für eine Kaffeepflanzung, sie hatte auch nicht die Absicht, die Farm zu bewirtschaften, sie wollte die Kaffeebäume beseitigen, das Land aufteilen, Straßen anlegen und mit der Zeit, wenn Nairobi sich weiter nach Westen ausdehnte, die Parzellen als Baugrundstücke verkaufen. Es war gegen Jahresende, als ich einwilligte.
    Auch dann noch, als es soweit war, hätte ich, glaube ich, nicht die Kraft gefunden, die Farm herzugeben, wenn ich mich nicht an einen Gedanken hätte klammern können. Die Kaffee-Ernte, die noch unreif an den Bäumen hing, gehörte dem ehemaligen Eigentümer der Farm oder der Bank, die eine erste Hypothek auf ihr besaß. Dieser Kaffee konnte vor April – oder gar später – nicht geerntet, dann aufbereitet und versendet sein. Für die Dauer dieser Zeit sollte ich als Verweser auf der Farm bleiben, und der Betrieb sollte äußerlich unverändert weitergehen. Inzwischen, sagte ich mir, mußte etwas geschehen, was alles wieder rückgängig machte, denn die Welt war ja doch schließlich kein starres, berechenbares

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