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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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fiel mir ein, daß er eine Schwäche gehabt hatte: er fürchtete sich vor Donner, und als ein Gewitter hereinbrach, während er in meinem Hause war, wurde er scheu wie eine Ratte und sah sich nach einem Schlupfloch um. Aber nun fürchtete er offensichtlich keinen Blitz mehr und keinen vielverhaßten Donnerschlag. Er hatte sein irdisches Werk verrichtet, war heimgekehrt und hatte in jedem Sinne seinen Lohn empfangen. Wäre er klarer bei Bewußtsein gewesen und hätte auf sein Leben zurückblicken können, ich glaube gewiß, er hätte nur wenige Momente darin gefunden, die er nicht voll ausgekostet hatte. Eine große Lebendigkeit und Freudigkeit, eine mannigfaltige Tatkraft gingen hier zu Ende, wo Kinanjui still auf seinem Lager lag. Scheide in Frieden, Kinanjui, dachte ich.
    Die alten Männer in der Hütte standen dabei, als hätten sie die Macht der Sprache verloren. Der Knabe, den ich im Zimmer antraf und der ein spätgeborener Sohn Kinanjuis sein mochte, trat nun dicht ans Bett des Vaters und richtete, wie mir schien, einer Verabredung gemäß, die vor meiner Ankunft getroffen war, das Wort an mich.
    Der Arzt der Mission, erklärte er mir, habe von Kinanjuis Leiden vernommen und sei gekommen, ihn zu besuchen. Er habe den Kikuju gesagt, er wolle wiederkommen und den sterbenden Häuptling ins Missionshospital bringen; sie erwarteten das Transportauto, das ihn holen sollte, noch in derselben Nacht. Aber Kinanjui wünschte nicht, ins Hospital gebracht zu werden. Darum habe er nach mir geschickt. Er bitte mich, ihn zu mir ins Haus zu nehmen, und zwar jetzt gleich, ehe die Leute von der Mission zurückkehrten. Während der Knabe sprach, blickte mich Kinanjui an.
    Ich saß und hörte schweren Herzens zu.
    Wäre Kinanjui zu irgendeiner früheren Zeit sterbenskrank gewesen, vor einem Jahr, ja, vor drei Monaten noch – ich hätte ihn, wenn er darum gebeten hätte, zu mir genommen. Aber jetzt war alles anders. Es war mir übel ergangen in der letzten Zeit, und ich mußte fürchten, daß es noch schlimmer werden würde. Ich brachte ganze Tage auf den Ämtern in Nairobi zu, hörte Geschäftsleute und Advokaten an, verhandelte mit den Gläubigern der Farm. Von daheim bekam ich bitterböse Briefe. Das Haus, in das Kinanjui gebracht werden sollte, gehörte nicht mehr mir.
    Kinanjui wird sterben, sagte ich mir und betrachtete den Kranken, er ist nicht mehr zu retten. Er wird unterwegs in meinem Wagen sterben oder sobald wir zu Hause ankommen. Die Leute von der Mission werden kommen und mich für seinen Tod verantwortlich machen; jeder, der es hört, wird ihnen beipflichten. Wie ich so in der Hütte auf meinem wackeligen Stuhl saß, schien mir all das eine Last, die ich nicht würde tragen können. Ich hatte nicht mehr die Kraft, den Machthabern der Welt Widerstand zu leisten.
    Ich rang zu wiederholten Malen mit dem Entschluß, Kinanjui mitzunehmen, und immer wieder verließ mich der Mut; da sagte ich mir, daß ich ihn würde dalassen müssen.
    Farah war an der Tür stehengeblieben und hatte die Rede des Knaben mit angehört. Als er mich immer noch schweigend sitzen sah, trat er zu mir und begann mir mit leiser, eindringlicher Stimme auseinanderzusetzen, wie wir Kinanjui am besten in den Wagen heben könnten. Ich stand auf und ging mit ihm abseits in den Schatten, fort von den Blicken und dem Gestank des alten Mannes auf dem Bett. Dort sagte ich Farah, ich würde Kinanjui nicht mit mir heimnehmen. Farah war auf diese Wendung der Dinge völlig unvorbereitet, seine Augen und sein ganzes Gesicht verdüsterten sich vor Staunen.
    Ich wäre gerne noch eine Weile bei Kinanjui geblieben, aber ich wollte nicht dabeisein, wenn die Leute von der Mission kamen, um ihn zu holen.
    Ich trat an Kinanjuis Bett und sagte ihm, ich könne ihn nicht zu mir in mein Haus nehmen. Ich brauchte keine Gründe zu nennen, so ließen wir’s dabei bewenden. Als die alten Männer in der Hütte meine Ablehnung hörten, kamen sie mit bestürzten Mienen herzu; der Knabe trat ein Stück weit zurück und blieb reglos stehen; er hatte hier nichts mehr zu tun. Kinanjui rührte sich nicht und verzog keine Miene, er hielt nur wie bisher seine Augen auf mich geheftet. Er sah aus, als wäre ihm etwas der Art schon einmal zugestoßen, wie es ja wohl auch sein mochte.
    »Kwaheri, Kinanjui«, sagte ich, »lebe wohl.«
    Seine heißen Finger tasteten sich an meine Handfläche. Ehe ich die Tür der Hütte erreichte, war, als ich mich umwandte und zurücksah, die mächtige,

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