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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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zurückzuhalten, und schmiedeten mancherlei Pläne, die sie mir anvertrauten. In der Zeit, als der Verkauf der Farm vollzogen wurde, kamen sie und hockten vom frühen Morgen bis in die Nacht um das Haus, nicht so sehr, um mit mir zu reden, als um jede meiner Bewegungen zu verfolgen. In dem Verhältnis zwischen Führer und Gefolgschaft kann ein paradoxer Moment eintreten, in dem sie jede seiner Schwächen und Irrungen deutlich sieht und ihn mit vorurteilsfreier Schärfe zu beurteilen vermag und doch unwandelbar nach ihm blickt, als gäbe es im Leben keinen Weg an ihm vorüber. Eine Herde von Schafen hat wohl die gleiche Haltung zu einem Hirtenknaben: die Tiere wissen unendlich viel mehr vom Boden und Wetter und folgen ihm dennoch nach, wenn es sein muß, geradewegs in den Abgrund. Die Kikuju begriffen, kraft ihres höheren inneren Wissens von Gott und dem Teufel, die Lage besser als ich, aber sie hockten um mein Haus herum und erwarteten meine Befehle, wahrscheinlich gleichzeitig meine Unfähigkeit untereinander beredend.
    Man hätte meinen können, ihre ständige Nähe wäre mir, da ich doch wußte, daß ich ihnen nicht helfen konnte, und schwer unter ihrem Schicksal litt, eine Qual gewesen. Dem war aber nicht so. Wir haben, glaube ich, bis zuletzt eine seltsame Linderung und einen Trost aus unserem Zusammensein geschöpft. Unsere Bindung war tiefer als alle Vernunft. Ich mußte in diesen Monaten oft an Napoleon und den Rückzug von Moskau denken. Man nimmt gemeinhin an, daß es ihm Qualen bereitet hat, die Soldaten seiner großen Armee ringsum leiden und sterben zu sehen, aber es ist ebensogut möglich, daß er auf der Stelle tot umgefallen wäre, wenn er sie nicht gehabt hätte. Nachts zählte ich die Stunden, bis die Kikuju sich wieder beim Hause einfinden würden.

Kinanjuis Tod
    In demselben Jahr starb der Häuptling Kinanjui. Einer seiner Söhne kam spätabends zu mir und bat mich, mit ihm zu seines Vaters Gehöft zu kommen, denn er liege im Sterben. »Nataka kufa«, er möchte sterben, sagen die Schwarzen. Kinanjui war ein alter Mann geworden. Erst kürzlich war ein großes Ereignis in sein Leben getreten: die Quarantänesperre für das Massaireservat war aufgehoben worden. Als der alte Kikujuhäuptling davon erfuhr, machte er sich in eigener Person mit einem kleinen Gefolge auf den Weg in den fernen Süden des Reservats, um seine verwickelten Abrechnungen mit den Massai zu bereinigen und die Kühe mit heimzubringen, die ihm gehörten, samt den Kälbern, die sie in der Verbannung zur Welt gebracht hatten. Während er sich dort aufhielt, wurde er krank. Soviel ich verstehen konnte, hatte ihn eine Kuh in die Hüfte gestoßen – eine sinnige Todesursache für einen Kikujuhäuptling –, und die Wunde war brandig geworden. Kinanjui war wohl zu lange bei den Massai geblieben oder schon zu krank gewesen, um die lange Reise zu wagen, als es ihn schließlich heimwärts trieb. Wahrscheinlich war er so halsstarrig drauf versessen, seine ganze Herde aufzutreiben, daß er es nicht über sich brachte, abzuziehen, ehe sie nicht vollständig beisammen war; möglich aber auch, daß er sich von einer seiner verheirateten Töchter drüben pflegen ließ, bis ihm ein Argwohn aufstieg, ob sie auch ehrlich gewillt sei, ihn heil durch die Krankheit zu bringen. Schließlich war er aufgebrochen, und seine Leute hatten anscheinend alles Erdenkliche für ihn getan und keine Mühe gescheut, ihn heimzubringen; sie hatten den todkranken Mann große Strecken weit auf einer Bahre getragen. Nun lag er sterbend in seiner Hütte und hatte nach mir gerufen.
    Kinanjuis Sohn traf nach dem Abendbrot bei mir ein, und es war Nacht, als Farah und ich mit ihm in sein Dorf hinüberfuhren. Aber der Mond schien klar und stand im ersten Viertel. Unterwegs kam Farah darauf zu sprechen, wer wohl Kinanjui in seinem Amt folgen werde. Der alte Häuptling hatte viele Söhne, und es erwies sich, daß verschiedenerlei Strömungen unter den Kikuju bestanden. Zwei von den Söhnen waren, wie mir Farah erzählte, Christen, aber der eine war Katholik, und der andere gehörte zur schottischen Kirche; die beiden Missionen bemühten sich, ihrem Prätendenten zur Anerkennung zu verhelfen. Die Kikuju selbst, schien es, wünschten sich einen dritten, jüngeren Sohn, der Heide war.
    Das letzte Stück Weges war nichts als eine Viehtrift durch Wiesengrund. Das Gras war grau vom Tau der Nacht. Kurz vor dem Dorf mußten wir ein Flußbett überqueren, durch das sich ein kleines

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