Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
Vom Netzwerk:
aufgebahrte Gestalt meines Kikujuhäuptlings schon von der Dunkelheit und dem Qualm des Zimmers verschlungen.
    Als ich hinaustrat, war es kalt. Der Mond stand tief am Horizont, es mochte nach Mitternacht sein. Da hörte ich im Dorf einen von Kinanjuis Hähnen zweimal krähen.
    Kinanjui starb in derselben Nacht im Missionshospital. Zwei seiner Söhne kamen am folgenden Nachmittag zu mir und erzählten es. Sie luden mich gleichzeitig zum Begräbnis ein, das tags darauf unweit des Dorfes in Dagoretti stattfinden sollte.
    Die Kikuju haben nicht den Brauch, ihre Toten zu begraben; sie legen sie offen auf die Erde, den Hyänen und Geiern zum Fraße. Dieser Brauch hatte für mich immer etwas Anziehendes; ich dachte mir’s angenehm, unter Sonne und Sternen zu liegen und so rasch, säuberlich und unter freiem Himmel glattgepickt und -geputzt zu werden, eins zu werden mit der Natur und mit den Elementen der Landschaft. In der Zeit, als die spanische Grippe auf der Farm umging, hörte ich nachts ringsum auf den Schambas die Hyänen heulen und fand öfters hernach einen braunen glatten Schädel, wie eine herabgefallene Nuß unterm Baum, im langen Gras des Waldes oder draußen auf der Steppe. Aber mit Verhältnissen, wie die Kultur sie mit sich bringt, läßt sich dieser Brauch nicht vereinen. Die Regierung hat mit vieler Mühe die Kikuju eines anderen belehrt und sie bewogen, ihre Toten unter die Erde zu betten; aber gern tun sie es auch heut noch nicht.
    Ich hörte nun, daß Kinanjui begraben werden sollte, und dachte mir, die Kikuju hätten sich bereit gefunden, eine Ausnahme von ihrem Brauch zu machen, da der Tote ein Häuptling gewesen sei. Vielleicht lag ihnen daran, es bei dieser Gelegenheit zu einem großen Aufmarsch und einer Massenversammlung von Eingeborenen kommen zu lassen. Ich fuhr am nächsten Nachmittag nach Dagoretti in der Erwartung, alle die alten Unterhäuptlinge der Gegend anzutreffen und eine große Feier der Kikuju zu erleben.
    Aber Kinanjuis Begräbnis wurde eine durchaus europäische und klerikale Angelegenheit. Einige Regierungsvertreter waren zugegen, der Bezirkskommissar und zwei Beamte aus Nairobi. Doch sonst gehörten Tag und Ort der Geistlichkeit, und die Steppe war im prallen Nachmittagssonnenschein schwarz von ihr. Die französische Mission und die Mission der Kirche von England und von Schottland waren reich vertreten. Wenn sie bei den Kikuju den Eindruck erwecken wollten, daß sie den toten Häuptling mit Beschlag belegt hätten und daß er nun ihnen gehörte, dann erreichten sie ihr Ziel. Hier waren sie so offenkundig in der Übermacht, daß Kinanjui ihnen auf keine Art hätte entwischen können. Ich sah hier zum erstenmal in größerer Anzahl die Gefolgschaft der Mission, bekehrte Schwarze halbpriesterlichen Gehabens – so verschieden auch sonst ihre Verrichtungen sein mochten –, dicke junge Kikuju mit Brillengläsern und gefalteten Händen, die aussahen wie kümmerliche Eunuchen. Wahrscheinlich waren auch Kinanjuis zwei christliche Söhne, ihres konfessionellen Wettstreites für diesen Tag vergessend, erschienen, aber ich kannte sie beide nicht. Einige von den alten Häuptlingen wohnten dem Begräbnis bei; Keoy war unter ihnen, und ich sprach eine Zeitlang mit ihm über Kinanjui. Aber sie hielten sich im ganzen bei der Veranstaltung zurück.
    Kinanjuis Grab war in der Steppe unter einer Gruppe hoher Eukalyptusbäume ausgeschaufelt und drum herum ein Strick gezogen worden. Ich war früh gekommen und stand infolgedessen nahe beim Grabe am Strick; von da aus konnte ich beobachten, wie die Trauerversammlung anwuchs und sich rings im Kreis wie eine Schar von Fliegen niederließ.
    Man brachte Kinanjui mit einem Lastauto von der schottischen Mission und setzte den Sarg unweit des Grabes ab. Ich kann mich nicht erinnern, je in meinem Leben so verblüfft und entsetzt gewesen zu sein wie bei diesem Anblick. Er war ein mächtiger Mann gewesen; ich sah ihn vor mir, wie er inmitten seiner Senatoren zur Farm herüberkam, ja, auch noch vor zwei Tagen nachts, wie er von seinem Bett zu mir aufschaute. Dieser Sarg aber, in dem sie ihn jetzt brachten, war eine fast quadratische Kiste, sicher nicht länger als fünf Fuß. Ich hielt sie nicht für einen Sarg, als ich das Ding zuerst sah; ich meinte, es müsse eine Kiste mit Geräten für das Begräbnis sein. Aber es war Kinanjuis Sarg. Ich habe nie erfahren, warum man dieses Behältnis gewählt hat, vielleicht hat man es auf der Mission gerade zur Hand

Weitere Kostenlose Bücher