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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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Regen. Wenn es am Boden hinlief, dann war es der Wind in den Büschen und im langen Gras, aber nicht der Regen. Wenn es nahe über der Erde raschelte und prasselte, dann war es der Wind in den Maisfeldern – der so ganz dem Regen ähnlich klang, daß man sich immer wieder täuschen ließ und doch schon dankbar war, das Ersehnte wenigstens in der Einbildung vorzufühlen –, aber nicht der Regen.
    Aber wenn die Erde wie ein Schallbogen mit tiefem brünstigem Dröhnen antwortete und die ganze Welt ringsum in allen Richtungen des Raumes in der Höhe und der Tiefe zu singen anhub – das war der Regen. Das war wie das Heimkehren an die See, nach langem Fernsein, und wie die Umarmung des Geliebten.
    Aber in einem Jahr blieb der lange Regen aus. Es war, als hätte die Allnatur sich von einem abgewandt. Es wurde kühler, an manchen Tagen war es gar kalt, aber kein Anzeichen von Feuchtigkeit war in der Luft. Alles wurde trockener, härter, und es war, als wäre alle Kraft und Anmut aus der Welt gewichen. Es war nicht schlechtes Wetter oder gutes Wetter, sondern die Verneinung jeglichen Wetters, als wäre es ins Nichtsein gebannt. Ein frostiger Wind, wie Zugluft, fuhr über die Köpfe hin, die Farben aller Dinge verblaßten, die Gerüche in den Feldern und Wäldern verwehten. Das Gefühl, bei den großen Mächten in Ungnade zu sein, war erdrückend. Im Süden dehnten sich die versengten Steppen, schwarz und wüst, von grauen und weißen Aschenstreifen durchzogen.
    Mit jedem Tag, den wir nun vergebens auf den Regen warteten, wurden die Aussichten und Hoffnungen der Farm düsterer, bis sie entschwanden. Das Pflügen, Schneiden und Pflanzen der vergangenen Monate wurde zu einer Mühsal von Toren. Die Arbeit der Farm rann träge fort und stand still.
    Auf den Steppen und in den Bergen trockneten die Wassertümpel aus, und viele neue Arten von Enten und Gänsen kamen zu meinem Teich. An den Weiher an der Grenze der Farm kamen die Zebras frühmorgens und bei Sonnenuntergang zum Trinken; sie kamen in langen Reihen, zwei- und dreihundert Stück, die Fohlen neben den Stuten, und fürchteten sich nicht, wenn ich mitten zwischen sie hineinritt. Wir versuchten, sie von unserem Land fernzuhalten um unserer Rinder willen, denn das Wasser in den Weihern sank. Noch war es eine Freude, da hinabzugehen, wo die Binsen, die im Schlamm wuchsen, einen grünen Flecken in die braune Landschaft malten.
    Die Schwarzen verstummten in der Dürre, ich konnte kein Wort über die Aussichten aus ihnen herausbringen, obgleich man hätte meinen können, daß sie mehr von den Wetterzeichen wüßten als wir. Nicht weniger als ihre Existenz stand auf dem Spiel; es war nichts Unerhörtes für sie, wie vordem für ihre Väter, daß neun Zehntel der Herden in den großen Jahren der Dürre verlorengingen. Ihre Schambas lagen trocken da, nur ein paar matte welke Bataten und Maisstauden hielten stand.
    Nach einiger Zeit machte ich mir ihre Art zu eigen und gab es auf, die harten Zeiten zu bereden und zu beklagen wie ein Geächteter. Aber ich war Europäerin und hatte nicht lange genug im Lande gelebt, um die absolute Passivität der Schwarzen mitmachen zu können, wie es manche Europäer tun, die seit vielen Jahrzehnten in Afrika leben. Ich war jung und mußte aus Selbsterhaltungstrieb meine Kräfte auf etwas konzentrieren, wenn ich von dem Staub auf den Wegen der Farm und dem Rauch in den Steppen nicht fortgeweht werden wollte. Ich begann, in den Abendstunden zu schreiben, Geschichten, Märchen und Erzählungen, die meinen Geist weit fort in andere Länder und Zeiten entführten. Ich hatte einige von den Geschichten einem Freund erzählt, wenn er zu Besuch auf die Farm kam. Wenn ich mich erhob und vor die Tür trat, wehte draußen ein grausamer Wind, der Himmel war klar und mit Millionen harter Sterne besät, alles war trocken. Zuerst schrieb ich nur an den Abenden, aber später setzte ich mich auch schon morgens zum Schreiben hin, wenn ich eigentlich auf den Feldern sein mußte. Es war schwierig, da draußen zu entscheiden, ob wir das Maisfeld wieder umpflügen und neu bepflanzen sollten und ob wir die welkenden Kaffeekirschen abpflücken sollten, um die Bäume zu retten, oder nicht. Ich schob die Entscheidung von Tag zu Tag hinaus.
    Ich saß schreibend im Eßzimmer, und meine Papiere lagen auf dem ganzen Tisch verstreut, denn ich mußte zwischen meinen Geschichten Rechnungen und Voranschläge für die Farm schreiben und die kurzen verzweifelten Berichte meines

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