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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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sonst niemand gesehen hatte, und darum konnte er keinen Unglauben anderer dulden.
    Ein einziges Mal habe ich ihn die erste Person gebrauchen hören; das war einige Monate vor seinem Tode. Er hatte eine schwere Herzattacke gehabt, ähnlich der, die sein Leben beendete; da ich ihn eine Woche lang nicht auf der Farm gesehen hatte, ging ich zu seinem Bungalow hinunter, um mich nach ihm zu erkundigen. Ich fand ihn, vom Gestank der Nilpferdhaut umwittert, in einem sehr ärmlichen und unordentlichen Zimmer im Bett. Er war aschfahl im Gesicht, seine umflorten Augen lagen tief in den Höhlen. Er antwortete mir nicht und sagte kein Wort, als ich ihn anredete. Erst nach langer Zeit, als ich schon aufgestanden war, um zu gehen, sagte er plötzlich mit einer dünnen heiseren Stimme: »Ich bin sehr krank.« Diesmal war keine Rede vom alten Knudsen, der sicher niemals krank oder niedergeschlagen war; es war sein Diener, der sich dies eine Mal erlaubte, von seiner privaten Not und Angst zu sprechen.
    Der alte Knudsen langweilte sich auf der Farm; darum sperrte er von Zeit zu Zeit die Türe seines Hauses zu, ging auf und davon und verschwand aus unserem Gesichtskreis. Das geschah wohl zumeist, wenn er von einem alten Freunde, irgendeinem Mitpionier aus der glorreichen Vergangenheit, hörte, der in Nairobi eingetroffen war. Er blieb dann eine Woche oder zwei aus, bis wir ihn schon ganz vergessen hatten, und kam dann gewöhnlich so zerrüttet und krank zurück, daß er sich kaum allein von der Stelle schleppen und seine Tür aufschließen konnte. Dann hielt er sich etliche Tage verborgen. Ich glaube, daß er sich in solchen Zeiten vor mir fürchtete, weil er meinte, ich würde seine Eskapaden sicher mißbilligen und seine Schwachheit ausnutzen, um über ihn zu triumphieren. Der alte Knudsen hegte, so gern er zuweilen von der Seemannsbraut sang, die die Wogen liebt, im Herzen einen tiefen Argwohn gegen die Frau und sah in ihr einen Feind des Mannes, der instinktiv und grundsätzlich drauf aus sei, ihm jeden Spaß zu verderben.
    Vor dem Tage, an dem er starb, war er zwei Wochen lang auf diese Art fort gewesen, und kein Mensch auf der Farm wußte, daß er zurückgekehrt war. Aber er selbst schien diesmal eine Ausnahme von der Regel gemacht zu haben, denn er war auf dem Wege von seinem Hause zu mir, einem Fußpfad, der durch die Plantage lief, als er hinfiel und starb. Kamante und ich fanden ihn auf dem Wege, als wir nachmittags auszogen, um auf der Steppe im kurzen jungen Gras Pilze zu suchen; denn es war April, und die Regenzeit hatte begonnen.
    Es fügte sich eigentümlich, daß ihn gerade Kamante fand, denn von allen Eingeborenen auf der Farm war er allein dem alten Knudsen freundlich gesinnt gewesen. Er hatte sich sogar zu ihm hingezogen gefühlt, als zu einem Auch-Abwegigen, und hatte ihm von Zeit zu Zeit aus freien Stücken Eier gebracht und auf seine Totos aufgepaßt, damit sie wenigstens nicht alle auf einmal davonliefen.
    Der alte Mann lag auf dem Rücken, sein Hut war beim Fallen ein Stück weit fortgerollt, die Augen waren halb geschlossen. Er sah im Tode vollkommen gesammelt aus. – Nun bist du’s, alter Knudsen, war mein Gedanke.
    Ich wollte ihn gern in sein Haus tragen, aber ich wußte, daß es zwecklos sein würde, einen Kikuju, der etwa des Wegs kam oder in den nahe liegenden Schambas arbeitete, zu Hilfe zu rufen; sie wären nur spornstreichs davongelaufen, wenn sie gesehen hätten, wozu ich sie rief. Ich befahl Kamante, nach Hause zu laufen und Farah zu Hilfe zu holen. Aber Kamante rührte sich nicht. »Warum willst du, daß ich laufe?« fragte er. »Du siehst doch«, sagte ich, »daß ich den alten Bwana nicht allein heben kann, und ihr Kikuju seid ja Narren, ihr habt Angst, einen Toten zu tragen.« Kamante verzog das Gesicht zu einem kleinen spöttischen Grinsen. »Du vergißt wieder, Msabu, daß ich ein Christ bin.« Er faßte den alten Mann bei den Füßen, ich hob ihn am Kopfende, und so trugen wir ihn miteinander zu seinem Bungalow. Von Zeit zu Zeit mußten wir innehalten, ihn niederlegen und rasten; dann stand Kamante aufrecht da und schaute gerade vor sich auf die Füße des alten Knudsen; so mochte es auf der schottischen Mission angesichts des Todes Sitte gewesen sein. Als wir ihn auf ein Bett gelegt hatten, suchte Kamante im Zimmer und in der Küche nach einem Tuch, um das Gesicht zu verdecken; er fand aber nur einen alten Sack. »Die Christen taten das im Hospital«, erklärte er mir.
    Lange Zeit später

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