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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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erweckten.
    Nachdem nun Kamante Christ geworden war, fürchtete er sich nicht mehr, eine Leiche zu berühren. Früher hatte er sich gefürchtet, und als ein Mann, der auf einer Bahre auf meine Terrasse gebracht worden war, dort starb, war er ebensowenig wie die anderen zu bewegen, mit anzufassen und ihn heimzutragen; er floh nicht wie die anderen, blieb aber regungslos wie eine kleine schwarze Statue auf dem Pflaster stehen. Warum die Kikuju, die persönlich so wenig Angst vor dem Tode haben, sich scheuen, eine Leiche anzufassen, während die Weißen, die den Tod fürchten, Tote unbedenklich berühren, das weiß ich nicht. Man spürt hier nur wieder, daß ihre Wirklichkeit von anderer Art ist als unsere Wirklichkeiten. Alle Farmer wissen, daß sie auf diesem einen Gebiet gegen den Schwarzen machtlos sind und daß man sich unnütze Mühe spart, wenn man ihn nicht erst zu zwingen versucht, denn er wird tatsächlich eher sterben als nachgeben.
    Nun, da der Schrecken aus Kamantes Herz gewichen war, verachtete er die Regung seiner Stammesgenossen. Er spielte sich sogar ein wenig auf, um mit der Macht seines Gottes zu prahlen. Es fügte sich, daß ich Gelegenheit hatte, seinen Glauben zu erproben, und daß Kamante und ich im Laufe unseres Lebens auf der Farm zweimal miteinander einen Toten fortgetragen haben. Der eine war ein junges Kikujumädchen, das in der Nähe meines Hauses von einem Ochsenkarren überfahren wurde, und der andere war ein alter weißer Mann, der sich auf der Farm niederließ, eine Weile an ihrem Leben teilnahm und bei uns starb.
     
    Er war ein Landsmann von mir, ein alter, fast blinder Däne, Knudsen mit Namen, der sich eines Tages, als ich in Nairobi war, zu meinem Wagen durchtastete, sich vorstellte und mich bat, ihm auf meinem Gelände ein Haus zu geben, da er keinen Ort in der Welt habe, wo er bleiben könne. Ich war damals genötigt, die Zahl der weißen Angestellten auf der Plantage einzuschränken, und hatte einen leeren Bungalow, den ich ihm überlassen konnte. So kam er heraus und lebte sechs Monate auf der Farm.
    Es war eine seltsame Sache, einen Mann wie ihn auf einer Hochlandfarm zu haben; er war so ganz ein Kind des Meeres, daß es war, als beherberge man einen alten Albatros mit gestutzten Schwingen. Er war gebrochen von den Mühsalen des Lebens, von Krankheit und Trunk, gebeugt und krumm, mit der sonderbaren Färbung, wie sie Rothaarige annehmen, wenn sie weiß werden; als hätte er wirklich Asche auf sein Haupt gestreut oder als wäre er von seinem Element gezeichnet und eingesalzen. Dabei glühte ein unaustilgbares Feuer in ihm, das keine Asche verschütten konnte. Er stammte aus einem dänischen Fischergeschlecht und war Matrose gewesen; später war er einer der allerersten Pioniere in Afrika; weiß Gott, welcher Wind ihn dahin verschlagen hatte.
    Der alte Knudsen hatte sehr viele Berufe in seinem Leben versucht, vorzugsweise solche, die mit Wasser, Fischen oder Vögeln zusammenhingen, und hatte es in keinem zu etwas gebracht. Eine Zeitlang hatte er, wie er mir erzählte, ein prachtvolles Fischereigeschäft auf dem Viktoriasee besessen, mit vielen Meilen der besten Fischernetze der Welt und einem Motorboot. Aber während des Krieges hatte er alles verloren. In seinem Bericht von dieser Tragödie gab es einen dunklen Punkt, ein schicksalsschweres Mißverständnis oder den Verrat eines Freundes. Ich weiß nicht genau, was es war, denn die Geschichte blieb sich die verschiedenen Male, wenn er sie erzählte, nicht ganz gleich, und der alte Knudsen wurde entsetzlich aufgeregt, wenn er an diese Stelle des Berichtes gelangte. Doch muß er wohl auch wahre Tatsachen enthalten haben, denn als Ersatz für seine Verluste zahlte ihm die Regierung, solange er bei mir wohnte, eine Art Pension von einem Schilling pro Tag.
    Er erzählte mir von alledem, wenn er gelegentlich zu mir ins Haus zu Besuch kam. Er suchte öfters Zuflucht bei mir, denn in seinem Bungalow fühlte er sich nicht recht wohl. Die kleinen Eingeborenenbuben, die ich ihm zur Bedienung gab, liefen ihm wieder davon, weil er sie erschreckte, wenn er wütend wurde: er stürzte dann plötzlich blindlings auf sie los und fuchtelte mit seinem Stock. Wenn er gut aufgelegt war, saß er bei mir auf der Veranda bei einer Tasse Kaffee und sang patriotische dänische Lieder, ungebeten und mit großem Kraftaufwand. Es machte uns beiden Vergnügen, miteinander dänisch zu sprechen, und wir tauschten oft Bemerkungen über die geringfügigsten

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