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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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Vorkommnisse auf der Farm aus, nur um der Sprache willen. Aber nicht immer hatte ich Geduld mit ihm, denn wenn er einmal dasaß, war es nicht leicht, ihn zum Schweigen und zum Gehen zu bewegen; er hatte, wie man sich denken kann, im täglichen Umgang viel vom »Ancient Mariner« oder »Old Man of the Sea«.
    Er war ein großer Künstler im Knüpfen von Fischnetzen gewesen, den besten Netzen auf der ganzen Welt, wie er mir versicherte, und beschäftigte sich jetzt in seinem Bungalow auf der Farm damit, »Kibokos« zu machen, Peitschen aus Nilpferdleder, wie sie die Schwarzen gebrauchen. Er kaufte sich eine Nilpferdhaut bei den Eingeborenen oder bei den Farmern vom Naivaschasee, und wenn er Glück hatte, konnte er aus einer Haut fünfzig Kibokos machen. Ich besitze noch eine Reitpeitsche, die er mir geschenkt hat, eine sehr schöne Peitsche. Diese Tätigkeit verbreitete einen entsetzlichen Gestank rings um sein Haus, ähnlich dem Gestank beim Horst eines alten Aasgeiers. Später, als ich auf der Farm einen Teich anlegte, war er fast immer bei dem Teich zu finden, tief versonnen, wie ein Seevogel im Zoo.
    Der alte Knudsen barg in seiner schwachen, eingesunkenen Brust das schlichte, stolze, zornmütige, wilde Herz eines Buben, der vor ungebrochener Kampfeslust glüht; er war ein großer romantischer Prahler und Kämpe. Er war ein starker Hasser wie selten einer, immer zorn- und wutentbrannt gegen beinahe alle Menschen und Einrichtungen, mit denen er in Berührung kam; er rief zum Himmel, er möchte Feuer und Schwefel auf sie herabregnen, und malte den Teufel mit der Plastik eines Michelangelo an die Wand. Er war begeistert, wenn er Leute hintereinanderbringen konnte, wie ein kleiner Junge, der zwei Hunde aufhetzt oder einen Hund auf eine Katze losläßt. Es war sehenswert und staunenswert, wie das Herz des alten Knudsen, der doch am Ende seines langen, harten Lebens schließlich sozusagen in einer stillen Bucht gestrandet war, wo er die Segel hätte streichen können, immer noch nach Auflehnung und Feindschaft schrie wie das Herz eines Jungen. Ich habe dieses Herz eines Berserkers bewundert.
    Er sprach von sich nie anders als in der dritten Person, vom »alten Knudsen«, und nie, ohne in den höchsten Tönen sich zu brüsten und zu rühmen. Es gab auf der Welt nichts, was der alte Knudsen nicht unternehmen und leisten konnte, und keinen Meisterboxer, den der alte Knudsen nicht niederschlagen konnte. Sobald es um andere Leute ging, war er ein düsterer Pessimist und sah schon die wohlverdiente Katastrophe nahen, die all ihren Bemühungen ein Ende setzen würde. Aber in bezug auf sich war er ein leidenschaftlicher Optimist. Kurze Zeit bevor er starb, vertraute er mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit einen gewaltigen Plan an. Der werde den alten Knudsen endlich zum Millionär machen und alle seine Feinde beschämen. Er werde, so kündigte er an, vom Boden des Naivaschasees die Hunderttausende von Zentnern Guano zutage fördern, die dort seit der Erschaffung der Welt von den Wasservögeln versenkt worden seien. Mit letztem ungeheurem Kraftaufwand machte er eine Reise von der Farm zum Naivaschasee, um die Einzelheiten seines Planes zu studieren und auszuarbeiten. Erfüllt von diesem Ruhmesglanz ist er gestorben. Das Projekt barg alle Elemente, die seinem Herzen teuer waren: tiefes Wasser, Vögel, verborgene Schätze, und war zudem behaftet mit dem Geruch von Dingen, über die man nicht mit Damen sprechen sollte. Über alledem sah er mit den Augen seines Geistes den triumphierenden alten Knudsen thronen, den Dreizack in der Hand, den Meeren gebietend. Ich erinnere mich nicht, ob er mir je erklärt hat, wie der Guano vom Boden des Sees heraufgeholt werden sollte.
    Die großen Taten und Erfolge des alten Knudsen und seine Unüberwindlichkeit auf allen Gebieten, die ich immer wieder zu hören bekam, standen offenbar im Widerspruch mit der Gebrechlichkeit und Schwäche des alten Mannes, der sie mir berichtete; man konnte merken, daß man es mit zwei getrennten und wesensverschiedenen Personen zu tun hatte. Die gewaltige Gestalt des alten Knudsen ragte im Hintergrunde auf als unbesiegbarer und triumphierender Held all der Abenteuer, und der, den ich kannte und der nie müde wurde, mir von ihm zu erzählen, war sein alter, gebeugter, entkräfteter Diener. Dieser demütige Mann hatte sich’s zur Aufgabe seines Lebens gemacht, den Namen des alten Knudsen zu verkünden und zu preisen bis zum Tode. Denn er hatte ihn gesehen, den

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