Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
Vom Netzwerk:
Morani« – junge Krieger –, »wo geht ihr hin?«
    »Wir gehen zu Kathegus Manyatta. Bei Kathegu gibt’s heute abend eine große Ngoma. Gute Nacht, Msabu.« Wenn sie in größeren Gruppen zusammen zum Tanz gehen, haben sie ihre eigene Trommel bei sich; man hört sie weithin wie das Pochen eines leisen Pulsschlags im Geäder der Nacht. Und plötzlich rührt an das Ohr, das nicht gelauscht hat, ein Etwas, das nicht eigentlich ein Ton, sondern ein tiefes Zittern der Luft ist, das ferne kurze Brüllen des Löwen. Er ist unterwegs, er jagt, es geschieht etwas da draußen, wo er ist. Der Ton kommt nicht noch einmal, aber er hat den Horizont geweitet; die weiten Dungas und die Wassertümpel sind einem nah.
    Als ich so vor meinem Hause stand, fiel nicht weit entfernt ein Schuß. Nur ein Schuß. Dann schloß sich ringsum wieder die Stille der Nacht. Nach einer Weile, als hätten sie innegehalten, um zu lauschen, und setzten nun aufs neue ein, hörte ich die Zikaden ihr eintöniges kleines Lied im Gras zirpen.
    Ein vereinzelter Schuß in der Nacht hat etwas seltsam Bestimmtes und Schicksalhaftes. Es ist, als schreie einem jemand mit einem Wort etwas zu und sage es nicht noch mal. Ich stand eine Zeitlang und sann, was das wohl zu bedeuten habe. Niemand konnte um diese Stunde auf etwas zielen, und wer etwa ein Tier hätte verscheuchen wollen, der hätte zwei oder mehr Schüsse abgefeuert. Vielleicht schoß Pooran Singh, mein alter indischer Zimmermann, unten in der Aufbereitung auf ein paar Hyänen, die sich in den Hof geschlichen hatten und die Streifen Ochsenhaut fraßen, die da, mit Steinen beschwert, aufgehängt waren, um zu Riemen für unsere Wagen verarbeitet zu werden. Pooran Singh war kein Held, aber vielleicht hatte er doch um seiner Riemen willen die Tür seiner Hütte einen Spalt weit aufgemacht und seine alte Schrotflinte abgedrückt. Er hätte aber sicher beide Läufe abgefeuert und vermutlich geladen und noch mal geschossen, um die Wollust des Heldentums auszukosten. Aber ein Schuß und dann Stille?
    Ich wartete noch eine Weile auf einen zweiten Schuß, aber es kam keiner, und als ich noch einmal zum Himmel aufschaute, sah ich, daß auch kein Regen kommen würde. Ich ging also zu Bett, nahm mir ein Buch vor und ließ die Lampe brennen. Wenn man in Afrika eines der Bücher aus der kostbaren Ladung vornimmt, die ein stolzes Schiff den weiten Weg von Europa hergetragen hat, dann liest man es so, wie ein Autor sein Buch gelesen wissen möchte, Gott bittend, er möge ihm die Kraft verliehen haben, es so schön zu Ende zu führen, wie er es begonnen hat. Der Geist wandert entrückt wie auf frischer tiefer grüner Fährte.
    Zwei Minuten später sauste ein Motorrad in rasender Eile um die Kurve am Hause und hielt davor; jemand klopfte heftig an die Glastür meines Wohnzimmers. Ich warf ein Hemd und einen Mantel über, schlüpfte in die Schuhe, nahm die Lampe und trat hinaus. Draußen stand mein Verwalter mit wilden Augen, schweißtriefend im Schein der Lampe. Sein Name war Belknap; er war Amerikaner und ein besonders tüchtiger erfindungsreicher Mechaniker, aber von sprunghaftem Gemüte. Für ihn war alles immer entweder licht wie im Gottesreich oder ohne jeden Hoffnungsschimmer finster. Als er in meinen Dienst trat, verwirrte mich der Wechsel seiner Ansichten vom Leben und von der Zukunft und dem Zustand der Farm; ich kam mir vor wie auf einer Riesenschaukel, aber später gewöhnte ich mich an ihn. Das Auf und Ab war nichts anderes als eine Art Morgengymnastik der Seele, die ein lebhaftes Temperament nötig hat, wenn es sich nicht austoben kann und zu wenig erlebt; man trifft den Fall nicht selten in Afrika bei energischen jungen Leuten, besonders solchen, die früher jahrelang in der Stadt gelebt haben. Nun aber hatte ihn das Tragische selbst gepackt, und noch war er unentschieden, ob er sein hungerndes Gemüt sättigen und das Geschehene ausbeuten oder seinem grimmen Ernst entfliehen und es verkleinern sollte, und in diesem Zwiespalt sah er aus wie ein Junge, der aus allen Leibeskräften gerannt kommt, um ein Unheil zu berichten, und fing zu stottern an. Schließlich brachte er es doch als etwas Geringfügiges vor, denn er selbst spielte keine Rolle dabei, das Schicksal hatte ihn wieder einmal übergangen.
    Inzwischen war Farah von seinem Haus herübergekommen und hörte seinen Bericht mit an.
    Belknap erzählte, wie friedlich und lustig die Tragödie begonnen hatte. Sein Koch hatte Ausgang gehabt, und in seiner

Weitere Kostenlose Bücher