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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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und wenn es zurücksank, strömte das Blut hervor und lief ihm in die Gurgel. Schließlich, als er still saß, gelang es mir, ihn zu verbinden. Wir trugen Wamai auf den Tisch und hoben das Licht in die Höhe, um ihn zu betrachten. Er hatte die volle Schrotladung in den Hals und die Brust bekommen; er blutete nicht stark, nur ein dünnes Rinnsal lief aus einem Mundwinkel herunter. Es war seltsam, dies Negerkind, das voller Leben gewesen war wie ein junges Böcklein, nun so still zu sehen. Während wir es anschauten, verwandelte sich sein Gesicht und nahm den Ausdruck des Staunens an. Ich schickte Farah nach Hause, den Wagen zu holen; es war keine Zeit zu verlieren, wir mußten die Kinder ins Krankenhaus bringen.
    Während ich wartete, erkundigte ich mich nach Kabero, dem Buben, der das Gewehr abgefeuert und all dies Blut vergossen hatte. Belknap erzählte mir eine seltsame Geschichte von ihm. Wenige Tage vorher hatte Kabero seinem Herrn ein Paar alte Shorts abgekauft und sollte ihm von seinem Lohn eine Rupie dafür bezahlen. Als der Schuß fiel und Belknap in die Küche gelaufen kam, stand Kabero mitten im Zimmer, das rauchende Gewehr in der Hand. Er starrte Belknap einen Augenblick lang an, dann langte er tief in die Tasche der Shorts, die er grad erst gekauft und für die Abendgesellschaft angezogen hatte, holte eine Rupie heraus und legte sie mit der linken Hand auf den Tisch, während er mit der rechten das Gewehr drauf schmiß. Nach dieser Schlußabrechnung mit der Welt verschwand er, und zwar – was wir in dem Augenblick nicht wußten – tilgte er sich mit dieser großen Geste gleichsam vom Antlitz der Erde. Das Benehmen war für einen Schwarzen ungewöhnlich; denn in der Regel verstehen sie es, Schulden, besonders Schulden an Weiße, ihrem Gedächtnis fernzuhalten. Vielleicht war der Augenblick Kabero so sehr wie der Tag des Gerichts erschienen, daß es ihn drängte, sich ihm gewachsen zu zeigen, vielleicht hoffte er, sich für die Stunde der Not einen Freund zu sichern. Oder aber: der Schreck, der Knall und der Tod der Freunde ringsum hatte die enge Kruste seiner Vorstellungen so zertrümmert, daß Splitter aus der Peripherie bis in den innersten Kern seines Bewußtseins gedrungen waren.
    Ich besaß damals einen Overlandwagen. Ich mag nichts gegen ihn sagen, denn er hat mir viele Jahre treu gedient. Aber er ließ sich nur selten bewegen, auf mehr als zwei Zylindern zu laufen. Seine Lichtanlage war nicht in Ordnung, so daß ich gewöhnlich bei der Fahrt zu den Tanzereien im Mathaigaklub ein Windlicht in einem rotseidenen Taschentuch als Rücklicht führte. Den Motor mußte man mit der Kurbel anwerfen, und an diesem Abend dauerte es lange, bis er parierte.
    Freunde, die mich besuchten, hatten oft über den Zustand meiner Straßen geklagt. Bei der Todesfahrt dieser Nacht sah ich ein, daß sie recht hatten. Ich ließ erst Farah steuern, aber dann kam es mir vor, als lenke er mit Fleiß in die tiefsten Löcher und Radfurchen, und ich setzte mich selbst ans Steuer. Dazu mußte ich am Teich halten und mir die Hände im dunklen Wasser säubern. Die Strecke bis Nairobi schien mir endlos, ich meinte, ich müßte in der Zeit bis heim nach Dänemark kommen können, so lange dauerte es.
    Das Eingeborenenhospital in Nairobi liegt auf dem Berge, kurz bevor man in die Mulde der Stadt hinabfährt. Es war finster und schien ausgestorben zu sein. Es kostete uns Mühe, das Haus wach zu kriegen, aber schließlich erwischten wir einen alten goanesischen Arzt oder Assistenten, der in einem wunderlichen Negligé erschien. Er war ein großer feister Mann von geruhsamem Wesen, der die sonderbare Gewohnheit hatte, erst mit der einen und dann mit der anderen Hand die gleiche Bewegung zu machen. Als ich Wamai aus dem Wagen heben half, meinte ich zu fühlen, daß er sich bewegte und ein wenig streckte, aber als wir ihn in das hell erleuchtete Zimmer des Krankenhauses brachten, war er tot. Der alte Goamann winkte mit der Hand nach ihm und sagte: »Der ist tot.« Und dann nach dem anderen: »Der lebt.« Ich habe den alten Mann nie wieder gesehen, denn ich bin nie wieder nachts in das Krankenhaus gekommen, und das war wohl seine gewöhnliche Dienstzeit. Damals schien mir sein Gehaben recht abgeschmackt, aber hinterher war es mir so, als wäre uns das Schicksal selbst, mit etlichen übereinandergezogenen weißen Mänteln angetan, auf der Schwelle des Hauses erschienen und hätte Leben und Tod richterlich zugeteilt.
    Wanyangerri erwachte aus

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