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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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seiner Geschichte fertig war und ich alles niedergeschrieben hatte, sagte ich, ich wolle sie ihm nun vorlesen. Er wandte sich von mir ab, während ich las, wie um jede Ablenkung zu vermeiden.
    Als ich aber seinen Namen vorlas: »… Darum schickte er nach seinem Freunde Jogona Kanyagga, der nicht weit entfernt lebte …«, da drehte er sein Gesicht schnell zu mir herüber und warf mir einen stolzen leuchtenden Blick zu, so überquellend von lachender Freude, daß der alte Mann zum Buben, zum wahren Sinnbild der Jugend wurde. Und ganz zuletzt, als das Schriftstück zu Ende war und ich seinen Namen las, der zur Bekräftigung unter seinem Daumenabdruck stand, wiederholte sich noch einmal dieser lebensfrohe offene Blick, diesmal inniger und sanfter, voll der neuen Würde.
    Solch einen Blick warf Adam dem Herrn zu, als er ihn geformt hatte und ihm den Atem des Lebens in die Nüstern blies und der Mensch eine lebendige Seele wurde. Ich hatte ihn erschaffen und ihm sein Wesen gezeigt. Jogona Kanyagga, der ewig Lebende. Als ich ihm das Papier reichte, ergriff er es ehrfürchtig und begierig, steckte es gefaltet in einen Zipfel seines Mantels und hielt es mit der Hand fest. Er durfte es um nichts in der Welt verlieren, denn seine Seele war darin, und es war der Beweis seiner Existenz. Hier war etwas, was Jogona Kanyagga vollbracht hatte und was seinen Namen für alle Zeit erhalten würde: das Fleisch war Wort geworden und lebte unter uns voll Gnade und Wahrheit.
    Die Welt des geschriebenen Wortes ist den Eingeborenen Afrikas in der Zeit, in der ich unter ihnen lebte, erschlossen worden. Ich konnte, wenn ich wollte, noch die Vergangenheit beim Schwanz erwischen und ein Stück auch unserer Geschichte nacherleben: die Zeit, in der den Massen des Volkes in Europa in gleicher Weise die Welt der Schrift offenbart wurde. In Dänemark geschah das vor hundert Jahren, und nach dem, was ich von Leuten erfahren habe, die zu meiner Kindheit schon sehr alt waren, muß ich glauben, daß die Wirkung ganz die gleiche war. Kaum je hat wohl der Mensch eine so demütige und begeisterte Anerkennung des l’art pour l’art an den Tag gelegt.
    Anfangs wurden die Botschaften von einem jungen Eingeborenen an den anderen – denn obwohl einige von den Alten vom Zeitgeist ergriffen wurden und auch in meiner Schule ein paar ganz alte Leute saßen und geduldig das Abc durchackerten, hielt sich doch im ganzen die ältere Generation der Neuerung argwöhnisch fern –, anfangs wurden die Briefe von berufsmäßigen Schreibern abgefaßt. Nur wenige von den Schwarzen konnten lesen, und meine Hausboys und die Squatter und Arbeiter auf der Farm brachten darum ihre Briefe zu mir, um sie sich vorlesen zu lassen.
    Als ich diese Briefe nacheinander öffnete und las, staunte ich über die Bedeutungslosigkeit des Inhalts. Ich machte den gewöhnlichen Fehler eines mit Vorurteilen behafteten Kulturmenschen. Man hätte ebensogut den Olivenzweig, den Noahs Taube heimbrachte, mit den Augen des Botanikers klassifizieren dürfen. Mochte er aussehen, wie er wollte, er wog mehr als die ganze Arche mit den Tieren darin: er war eine neue grüne Welt.
    Die Briefe der Eingeborenen waren alle ziemlich gleich, sie hielten sich an ein erprobtes und ehrfürchtig bewahrtes Muster und lauteten ungefähr folgendermaßen: »Mein lieber Freund Kaman Morefu. Ich will nun die Feder in meine Hand nehmen« – im übertragenen Sinne, denn es war der Schreiber, der die Feder führte – »und Dir einen Brief schreiben, denn ich habe schon lange gewünscht, Dir einen Brief zu schreiben. Mir geht es gut, und meine Hoffnung ist, daß es Dir, mit Gottes Hilfe, sehr gut geht. Meiner Mutter geht es gut. Meiner Frau geht es nicht sehr gut, aber doch habe ich die Hoffnung, daß es Deiner Frau, mit Gottes Hilfe, gutgeht« – so folgte eine lange Liste von Namen mit einer kurzen, meist recht nichtssagenden, zuweilen aber auch ganz phantastischen Bemerkung über jeden. Dann schloß der Brief mit der Wendung: »Nun, mein Freund, will ich diesen Brief beenden, denn ich habe zu wenig Zeit, um Dir zu schreiben. Dein Freund Ndwetti Lori.«
    Um ähnliche Botschaften junger strebsamer Europäer zu überbringen, haben sich vor hundert Jahren Postillione in den Sattel geschwungen, sind Pferde galoppiert, haben Posthörner geschmettert und ist Briefpapier mit geschweiften, goldenen Ecken fabriziert worden. Die Briefe sind ersehnt, geliebt und aufgehoben worden; ich habe selbst einige davon gesehen.
    Bevor ich

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