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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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gutem Fuß. Ich habe nie einen Menschen gesehen, der Schminke und Puder so dick auftrug wie die Oberin; mit ihrer weißen Haube und ihrem breiten Gesicht sah sie aus wie die russischen Holzpuppen, die sich öffnen lassen und innen wieder eine Puppe haben und in der wieder eine und die man unter dem Namen Katinka verkauft. Sie war eine liebe und tüchtige Oberin, wie man es von einer Katinka erwarten durfte. Donnerstags wurden alle Betten auf einen offenen Platz in der Mitte gebracht und die Gebäude geputzt und gelüftet; das war der netteste Tag im Krankenhaus. Vom Hof aus hatte man einen schönen freien Blick über die dürre Athisteppe im Vordergrund und weit hinaus auf den blauen Gipfel des Donyo Sabonk und die Kette der Muyberge. Es war recht wunderlich, die alten Kikujuweiber in Betten mit weißem Leinenzeug zu sehen, als lägen da alte abgezehrte Maulesel oder andere kranke Lasttiere; sie mußten selbst darüber lachen, taten es aber mit etwas säuerlicher Miene, wie Maulesel es auch tun würden, denn Eingeborene haben Angst vor Krankenhäusern.
    Als ich Wanyangerri zum erstenmal im Krankenhaus sah, fand ich ihn so erschüttert und fassungslos, daß ich dachte, es wäre das beste für ihn, wenn er stürbe. Er hatte Angst vor allem, weinte die ganze Zeit, die ich bei ihm war, und flehte, ich sollte ihn zur Farm zurückbringen; er schüttelte sich und zitterte in seinem Verbande.
    Es verging eine Woche, ehe ich wieder hinkam. Diesmal war er ruhig und gesammelt und empfing mich mit Würde. Er war aber sehr froh, mich zu sehen, und der Wärter sagte mir, er habe mit Ungeduld meine Ankunft erwartet. Er konnte mir heute mit großer Bestimmtheit berichten – er stieß die Worte durch eine Röhre aus, die ihm im Munde steckte –, er sei tags zuvor getötet worden und würde nach einigen Tagen wieder getötet werden.
    Der Arzt, der Wanyangerri behandelte, war während des Krieges in Frankreich gewesen und hatte vielen Verwundeten die Gesichter geflickt; er gab sich große Mühe mit ihm, und der Erfolg war erstaunlich. Er setzte ihm ein Metallband als Unterkiefer ein, befestigte es mit einem Scharnier an den erhaltenen Knochen des Gesichts und nähte die zerrissenen Fleischfetzen so zusammen, daß sich eine Art Kinn bildete. Er nahm, wie Wanyangerri mir erzählte, sogar ein Stück Haut von der Schulter, um das Flickwerk zusammenzuhalten. Als am Schluß der Behandlung der Verband abgenommen wurde, war das Gesicht des Kindes sehr verändert und sah sonderbar aus, wie der kinnlose Kopf einer Eidechse. Aber er war imstande, normal zu essen und zu sprechen, wenn er auch seit dem Unfall immer etwas lispelte. Das Ganze dauerte viele Monate. Als ich Wanyangerri besuchte, bat er mich um Zucker; ich brachte ihm dann immer ein paar Löffel voll in einem Stückchen Papier.
    Soweit sie nicht vom Grauen vor dem Unbekannten einfach benommen und gelähmt sind, schimpfen und murren die Schwarzen im Krankenhaus dauernd und sinnen auf Mittel zu entkommen. Eines von diesen ist der Tod, den sie gar nicht fürchten. Die Europäer, die die Krankenhäuser gebaut und ausgestattet haben und darin arbeiten und mit großer Mühe die Kranken hinschaffen, beklagen sich bitter, daß die Schwarzen keine Dankbarkeit kennen und daß es ihnen gleichgültig ist, was man für sie tut.
    Für Weiße liegt etwas Rätselhaftes und Lebenswidriges in dieser Einstellung der Eingeborenen. Es ist ihnen gleichgültig, was man für sie tut, ja, man kann nur wenig für sie tun, und was man tut, das vergeht, und man spricht nie mehr davon: sie danken einem nichts und tragen einem nichts nach, und selbst wenn man wollte, könnte man sich’s nicht anrechnen. Diese Einstellung hat etwas Erschreckendes, sie vernichtet einen als persönliches Wesen und überträgt einem eine Rolle, die man nicht frei wählt, als wäre man ein Naturereignis, als wäre man das Wetter.
    Die zugewanderten Somali unterscheiden sich in dieser Hinsicht von den Eingeborenen des Landes. Sie haben ein lebhaftes Gefühl dafür, wie man sich zu ihnen verhält, ja, man kann sich kaum rühren, ohne sie in irgendeinem Sinn zu treffen, und zwar meist nicht, ohne sie tief zu verletzen. Sie haben einen feinen Sinn für Dankbarkeit und behalten eine Kränkung ihr Leben lang. Eine Wohltat bleibt, ebenso wie eine Beleidigung oder eine Nichtachtung, in ihrem Herzen wie in Stein gemeißelt. Sie sind strenge Mohammedaner und besitzen, wie alle Mohammedaner, ein Sittengesetz, nach dem sie einen beurteilen. Bei

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