Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
Vom Netzwerk:
große Bestürzung, denn eine Zahl ist etwas ganz Bestimmtes, und das gibt kein Schwarzer gern von sich. Farah ließ seine Augen ringsum kreisen und schlug mit höhnischer Miene vor: »Hundert.« Hundert Schafe waren eine phantastische Zahl, an die niemand im Ernst gedacht hatte. Die Alten fühlten sich dem Spott des Somali preisgegeben und sahen sich genötigt stillezuhalten. Ein ganz alter Mann wisperte: »Fünfzig.« Aber die Zahl schien nichts zu wiegen und verwehte im Luftzug von Farahs Witz. Nach einer Weile sagte Farah selbst in barschem Ton: »Vierzig«, wie ein alterfahrener Händler, der mit Ware und Geld Bescheid weiß. Das Wort entfesselte die verborgenen Gedanken der Versammelten; sie fingen an, lebhaft miteinander zu reden. Jetzt mußte man ihnen viel Zeit lassen, zu grübeln und zu gackern; aber immerhin: der Grund für die Verhandlungen war gelegt. Als wir wieder zu Hause waren, sagte Farah zuversichtlich: »Ich glaube, die Alten werden vierzig Schafe von Kaninu nehmen.«
    Kaninu hatte bei dem Kyama noch eine schwere Prüfung zu bestehen. Der alte dickbäuchige Kathego, auch einer von den großen Squattern der Farm, erhob sich und schlug vor, die Schafe und Ziegen Kaninus durchzugehen und einzeln zu bestimmen, welche er abgeben sollte. Das war ganz gegen die Gepflogenheit eines Kyama. Jogona wäre nie auf diesen Gedanken verfallen, und ich konnte mir nur vorstellen, daß er auf einem Abkommen beruhte, das Kathego mit Jogona getroffen hatte, um sich einen Vorteil zu sichern. Ich wartete eine Zeitlang, um zu sehen, was dabei herauskommen würde. Kaninu schien sich anfangs in sein Martyrium zu ergeben, er barg sein Haupt und winselte beim Namen jedes Tieres, als würde ihm für jedes ein Zahn gezogen. Aber als Kathego schließlich, wenn auch zögernd, eine große gelbe, hornlose Ziege bezeichnete, da brach Kaninu das Herz, und mit seiner Kraft war es aus. Er tauchte mit großer Gebärde unter seinem Mantel hervor, brüllte auf mich ein wie ein Stier, hilfeheischend, wahrlich »aus tiefster Not«, bis er mit einem raschen Blick gewahr wurde, daß ich auf seiner Seite war und daß er seine gelbe Ziege nicht verlieren würde. Da setzte er sich ohne einen weiteren Laut hin und warf erst nach einer Weile Kathego einen ganz tiefen, höhnischen Blick zu.
    Eine Woche verging mit Sitzungen und außerordentlichen Sitzungen des Kyama. Dann wurde der Schadenersatz endgültig auf vierzig Schafe festgesetzt, die Kaninu an Jogona zu zahlen hatte, ohne daß die Schafe, die abzuliefern waren, einzeln bezeichnet wurden.
    Eine Woche später brachte Farah abends, als ich bei Tisch saß, die neuesten Nachrichten über den Fall.
    Drei alte Kikuju aus Nyeri, erzählte er, seien tags zuvor auf der Farm eingetroffen. Sie hätten zu Hause in Nyeri von dem Vorfall gehört und sich auf den Weg gemacht, um vor die Schranken zu treten und zu erklären, Wamai sei nicht der Sohn von Jogona, sondern ein Sohn seines verstorbenen Bruders, und somit gebühre der Schadenersatz für seinen Tod von Rechts wegen ihnen.
    Ich lächelte über diese Frechheit und meinte, das sehe den Kikuju von Nyeri ähnlich. Nein, sagte Farah nachdenklich, er glaube, sie seien im Recht. Jogona sei tatsächlich vor sechs Jahren aus Nyeri auf die Farm gekommen, und soviel er habe erkunden können, sei Wamai nicht Jogonas Sohn und »sei es nie gewesen«, wie Farah sich ausdrückte. Jogona, fuhr er fort, könne von Glück sagen, daß ihm vor zwei Tagen fünfundzwanzig von den vierzig Schafen übergeben worden seien. Sonst würde Kaninu sie nach Nyeri abtreiben lassen, um sich den Kummer zu ersparen, meinte Farah, sie noch auf der Farm sehen zu müssen, nachdem sie ihm nicht mehr gehörten. Aber Jogona könnte sich noch auf etwas gefaßt machen, denn die Kikuju von Nyeri seien nicht leicht abzuschütteln. Sie hätten sich auf der Farm eingenistet und drohten, den Fall vor den Bezirkskommissar zu bringen.
    Ich war also schon vorbereitet, als einige Tage später vor meinem Hause die Leute aus Nyeri erschienen; es waren Kikuju von der niedersten Sorte, und sie sahen ganz aus wie drei zottige schäbige Hyänen, die hundertundfünfzig Meilen weit Wamais Blutspur nachgeschlichen waren. Mit ihnen erschien, in der größten Erregung und Bestürzung, Jogona. Der Unterschied in der Haltung der beiden Parteien rührte wohl daher, daß die Kikuju von Nyeri nichts zu verlieren hatten, während Jogona fünfundzwanzig Schafe besaß. Die drei Fremden hockten sich auf die Steine,

Weitere Kostenlose Bücher