Jenseits von Afrika
allerdings ein bißchen alt aussah.
Schließlich wandte ich meine Augen zurück zu Kinanjui. Ich weiß nicht, ob er die Kuh überhaupt angesehen hat. Während ich ihn betrachtete, zuckte er nicht einmal mit der Wimper. Er saß reglos da, als wäre er ein Klotz ohne Seele und Gefühl, den jemand vor dem Hause abgesetzt hatte. Er wandte der brüllenden Menge die Seite zu, und mir wurde klar, wie sehr doch das Profil das wahre Gesicht eines Königs ist. Es ist eine besondere Gabe der Schwarzen, sich derart durch eine einzige Bewegung in ein lebloses Ding zu verwandeln. Ich glaube nicht, daß Kinanjui hätte etwas sagen oder eine Bewegung machen können, ohne die Flammen der Leidenschaft anzufachen, so aber erdrückte er sie, indem er auf ihnen sitzen blieb.
Nach und nach ließ die Wut nach; die Leute hörten auf zu kreischen und fingen an, normal miteinander zu reden. Schließlich wurden sie einer nach dem anderen still. Wainainas Mutter humpelte, als sie sich unbeobachtet glaubte, an ihrem Stock ein paar Schritte näher, um die Kuh genauer zu betrachten. Farah wandte den Kopf und kehrte mit einem sauren Lächeln in die Kultur zurück.
Als alles still war, ließen wir die prozessierenden Parteien an den Mühlstein treten, die Daumen mit Wagenschmiere befeuchten und ihren Fingerabdruck unter die Vertragsurkunde setzen. Wainaina tat es sehr widerstrebend und winselte vor sich hin, als er den Daumen aufs Papier drückte, als ob es ihn versengte.
Das Schriftstück lautete:
Der nachfolgende Vertrag ist heute, den 26. September, in Ngong zwischen Wainaina wa Bemu und Kaninu wa Nyagga geschlossen worden. Der Häuptling Kinanjui ist zugegen und sieht alles.
Der Vertrag besagt, daß Kaninu an Wainaina eine Kuh mit einem Milchkalb zu liefern hat. Diese Kuh und das Milchkalb sollen Wainainas Sohn Wanyangerri gegeben werden, der am 19. November vorigen Jahres mit einer Schrotflinte angeschossen wurde, die Kaninus Sohn Kabero aus Versehen abdrückte. Die Kuh und das Kalb sollen das Eigentum Wanyangerris sein. Mit der Zahlung dieser Kuh und des Milchkalbes soll die Shauri endgültig geschlichtet sein. Niemand darf hiernach mehr über sie sprechen oder sie auch nur erwähnen.
Ngong, den 26. September
Kaninus Zeichen Wainainas Zeichen
Ich war zugegen und hörte die Verlesung des Schriftstückes.
Zeichen des Häuptlings Kinanjui
Die Kuh und das Milchkalb sind Wainaina in meiner Gegenwart übergeben worden.
Baronin Blixen
G ÄSTE AUF DER F ARM
Große Tänze
Viele Gäste haben die Farm besucht. In Pionierländern ist Gastlichkeit eine Lebensnotwendigkeit nicht nur für die Fremden, sondern für den Siedler selbst. Ein Gast ist ein Freund, er bringt Neuigkeiten, gute oder schlimme, und sie sind Brot für das darbende Gemüt des Einsamen. Kommt ein echter Freund ins Haus, so ist er ein Himmelsbote, der einem das Engelsbrot reicht. Wenn Denys Finch-Hatton nach einer langen Expedition zurückkehrte, hungerte er nach einem Gespräch und fand mich auf der Farm nach Gesprächen hungernd; wir saßen am Abendbrottisch bis in die ersten Morgenstunden und redeten von allen Dingen, die uns in den Sinn kamen, und lachten vor Freude, daß wir ihrer noch Herr waren. Weiße, die lange Zeit allein unter Eingeborenen leben, gewöhnen es sich an, zu sagen, was sie meinen; sie haben ja keinen Grund oder Anlaß, sich zu verstellen, und wenn sie einander wieder begegnen, sprechen sie miteinander wie mit den Schwarzen. Wir dachten uns damals aus, daß die wilden Massai in ihren Manyattas am Fuß der Berge unser Haus leuchten sähen wie einen Stern in der Nacht, so wie die Bauern von Umbrien einst das Haus sahen, in dem der heilige Franz und die heilige Klara sich über göttliche Dinge besprachen. Die größten geselligen Ereignisse auf der Farm waren die Ngomas, die großen Tänze der Eingeborenen. Wir bewirteten dabei fünfzehnhundert oder gar zweitausend Gäste. Freilich war das, was das Haus zum Feste beitrug, recht bescheiden. Wir gaben den alten glatzköpfigen Müttern der tanzenden Nditos – der Jungfrauen – Schnupftabak und den Kindern – wenn sie zu den Tanzereien mitgenommen wurden – etwas Zucker zum Lutschen; Kamante verteilte ihn mit einem hölzernen Löffel. Und manchmal erbat ich beim Bezirkskommissar für meine Squatter die Erlaubnis, Tembo Pombe zu brauen, ein mörderisches Getränk aus Zuckerrohr. Aber die eigentlichen Festveranstalter, die unermüdlichen jungen Tänzer, brachten den Glanz und Prunk der
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