Jenseits von Afrika
Ausreißer, die zuweilen für ihren Eigenwillen teuer zahlen müßten, und in Wahrheit waren sie Verbannte und Märtyrer, die ihr Martyrium mit gutem Anstand trugen.
Hätte Berkeley seinen klugen Kopf mit einer Perücke langer seidiger Locken geschmückt, er hätte am Hofe König Karls II. ein und aus gehen können. Er hätte als aufgeweckter englischer Student zu Füßen des alten d’Artagnan sitzen können, des d’Artagnan der Dix ans après, seiner Weisheit lauschend und seine Worte in sein Herz prägend. Es gab kein Gesetz der Schwere für Berkeley, ich hatte das Gefühl, er könnte mitten aus unserem abendlichen Geplauder am Kamin plötzlich durch den Schlot emporfahren. Er war ein guter Menschenkenner, frei von Illusionen und von Groll. Aus einer Art Teufelsübermut war er am liebenswürdigsten zu den Menschen, von denen er am wenigsten hielt. Wenn er gehörig aufgekratzt war, gab er einen unvergleichlichen Spaßmacher ab. Und um ein Narr zu sein im Stil der Congreve und Wycherley en plein vingtième siècle, dazu gehört mehr als das Talent eines Congreve und Wycherley, dazu gehören Glut, Grandezza und Verwegenheit. Wenn ein Spaß bis zum Wagnis und zur Vermessenheit aufschießt, dann wird er ergreifend. Wenn Berkeley, leicht erhitzt und gleichsam transparent vom Weine, sein hohes Roß bestieg, dann wuchs des Reittiers Schatten an der Wand und bäumte sich in kühnem, phantastischem Galopp, als wär’s der Sproß einer edlen Stute, als hieße seine Mutter Rosinante. Aber Berkeley selbst, einsam wie er war in Afrika, halb Invalide – sein Herz machte ihm ständig Beschwerden –, mit seiner geliebten Farm, die täglich mehr und mehr in die Hände der Banken glitt – er wäre der letzte gewesen, den Schatten zu erkennen.
Berkeley war klein gewachsen, sehr zierlich, rothaarig, mit schmalen Händen und Füßen, und hielt sich stets tadellos aufrecht, mit einer kleinen kecken Wendung des Kopfes nach rechts oder links, der noblen Geste des unbesiegten Duellanten. Er ging geräuschlos wie eine Katze. Und wie eine Katze füllte er jeden Raum, in dem er saß, mit Behagen, als trüge er bei sich einen Quell von Wärme und Lustigkeit. Wäre Berkeley gekommen und hätte sich zu einem auf die rauchenden Trümmer des Hauses gesetzt, er hätte einem wie eine Katze das Gefühl gegeben, in einem mollig gemütlichen Winkel geborgen zu sein. Wenn ihm wohl zumute war, dann meinte man, er müsse schnurren wie ein großer Kater, und wenn er krank war, dann war sein Leid nicht nur betrüblich und besorgniserregend, sondern grauenvoll wie die Krankheit einer Katze. Er hatte keine Grundsätze, aber einen überraschenden Vorrat an Vorurteilen, grad wie man ’s einer Katze zutrauen würde.
War Berkeley ein Kavalier aus den Tagen der Stuarts, so paßte Denys in eine noch frühere englische Landschaft, in die Welt der Königin Elisabeth. Da hätte er Arm in Arm mit Sir Philip oder Francis Drake einherwandeln können. Und die Menschen aus der Zeit der Elisabeth hätten ihn zu schätzen gewußt, denn ihnen hätte er den Geist des Altertums vermittelt, der Athener, von denen sie träumten und schrieben. Denys hätte sich freilich in jede Epoche unserer Kultur harmonisch eingefügt, wäre in ihr zu Hause gewesen, bis an die Schwelle des neunzehnten Jahrhunderts. Er würde in jeder Epoche eine gute Figur gemacht haben, denn er war ein Athlet und ein Musiker, ein Liebhaber der schönen Künste und ein trefflicher Sportsmann. Er trug auch das Kostüm seiner eigenen Zeit, aber es saß ihm nicht überall. Seine Freunde in England wünschten ihn sich immer zurück, sie schrieben und malten ihm allerlei Zukunftspläne für seine Karriere aus, aber Afrika hielt ihn fest.
Die besondere instinktive Zuneigung, die alle Schwarzen in Afrika Berkeley und Denys und einigen anderen ihrer Art bekundeten, hat mich auf den Gedanken gebracht, daß die Weißen vielleicht früher, und zwar zu jeder früheren Zeit, sich besser mit den Farbigen verstanden haben, ihnen näher gekommen sind, als wir in unserer industriellen Zeit es vermögen. Als die erste Dampfmaschine erbaut wurde, trennten sich die Wege der Völker, und seitdem haben wir uns nicht wiedergefunden.
Ein Schatten lag über meiner Freundschaft mit Berkeley, und der kam daher, daß Jama, sein Somalidiener, einem Stamm angehörte, der mit Farahs Stamm in Feindschaft lebte. Wer wie wir den Sippenwahn der Somali kannte, mußte angesichts der dunklen, tiefen Wüstenblicke, die sich über unserem
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