Jenseits von Raum und Zeit
Schein der vielen Lichter, die aus den Fenstern in allen drei Stockwerken strahlten.
Gaslaternen auf hohen Pfählen tauchten eine Kreuzung in wehmütiges, erinnerungsschweres Licht. Ich passierte sie, verlangsamte meinen Schritt und bewegte mich im Schatten von siebzig Fuß hohen Ulmen mit betonverstärkten Stämmen und permanent präparierten Blättern. Der Mond warf sein märchenhaftes Licht auf die Ziegelstraße, die weiten künstlichen Wiesen, die pomphaften Mauern und schuf die zerbrechliche Illusion der simplen Eleganz eines versunkenen Zeitalters – wenn man das Lichterfunkeln der Stadt ignorierte, die verschwommen dahinter lag.
Das letzte Haus rechts vor Tarletons Grundstück war eine von Buchsbaum umstandene Pflanzervilla mit Säulen und einem Balkon, von dem eine Königin ihrem vorbeiziehenden Volk hätte zuwinken können. Die Fensterläden waren geschlossen. Nicht jeder war gewillt, den Komfort eines modernen Apartments eine Meile weit entfernt in Washington für die zweifelhafte Distinktion einer Adresse in Georgetown aufzugeben. Die Hälfte der Häuser stand leer, fest verschlossen, und wartete auf das Kaufangebot eines neuen Kongreßmitglieds, das eine soziale Stufe höhersteigen wollte, oder eines südamerikanischen Diplomaten, der noch rasch einen Mietvertrag unterschreiben wollte, bevor seine Regierung zusammenbrach.
Plötzlich bewegte sich etwas in den Mondschatten am Straßenrand gegenüber Tarletons Haus. Ein großes Panzerauto erschien, schwergewichtig in der Federung schwankend, als es aus einer Seitengasse auf die Hauptstraße rollte. Es war zu spät für mich, um mir irgendeine Aktion auszudenken, die die Gegenseite überrumpeln könnte. Ich riß das Lenkrad herum und bog in die Aschenbahn ein, die zur hellerleuchteten Front des Tarleton-Hauses führte. Hinter mir ließ der Fahrer seine Turbodüsen aufheulen und preschte dicht an meine hintere Stoßstange heran.
Männer erschienen in der breiten Toreinfahrt vor mir. Aus den Augenwinkeln sah ich andere über die Wiese laufen, die meergrün im Schein der strahlenden Fenster schimmerte. Sie umringten mich, als ich mit kreischenden Bremsen anhielt, die Tür aufstieß und ausstieg. Ich suchte mir einen mittelgroßen Burschen heraus, der ein so gefühlvolles Gesicht hatte wie ein Zinkbarren.
»Diese Clowns im Panzerauto sollen ruhig auf dem Boden bleiben«, sagte ich zu ihm. »Ich hätte genausogut nach ihnen hereinfahren können. Und die Boys, die da die Blumenbeete zertrampeln, sollen die Füße ruhig halten und bleiben, wo sie sind. Erzählen Sie ihnen, daß das hier kein Tango-Wettbewerb ist.«
»Und was haben Sie hier zu suchen, Mister?« fragte er flüsternd. Ich sah die Narbe, die sich quer über seinen Hals von einem Ohr zum anderen zog. Das war ein Mann, der dem Tod schon aus hauchdünner Entfernung ins Auge gesehen hatte. Er betrachtete mein Auto. Es gefiel ihm nicht besonders. Der Anblick des goldenen Adlers und der Aufschrift Zentralbüro des geheimen Nachrichtendienstes brachte ihn etwas aus dem Gleichgewicht.
Ich ging auf die Stufen zu.
»Heiße Ware für den Admiral. Ist er im Haus?«
Er rührte sich nicht. Ich blieb stehen, bevor ich ihn angerempelt hätte.
»Vielleicht zeigen Sie mir erst einmal Ihre Papiere, Mister«, flüsterte er. »Drehen Sie sich um und legen Sie sie oben auf Ihr Auto.«
»Ziehen Sie erst einmal Ihre Socken hoch, Sie Anfänger«, sagte ich mit lauter Stimme und trat einen Schritt näher an ihn heran. »Kommen Sie, ich habe es eilig.« Er wich einen Zoll zurück.
»Kennt einer von euch dieses Großmaul?« rief er heiser krächzend. Sein Gesicht war jetzt so dicht vor dem meinen, daß ich seinen Branntweinatem roch. Er war bereits in gehobener Stimmung. Und das erleichterte es mir keineswegs, mit ihm fertig zu werden.
Ich sah, wie die anderen die Köpfe schüttelten, und zwei oder drei Stimmen behaupteten, sie hätten noch nicht das Vergnügen gehabt, mich kennenzulernen.
Ich schob meine Schultern vor.
»Ich gehe jetzt hinein«, verkündete ich. »Ich habe meine Anweisungen von höchster Stelle …«
Jemand trat durch die geöffnete Tür ins Freie, sah mich und erstarrte. Im ersten Augenblidc erkannte ich das wettergegerbte Pferdegesicht unter der randlosen Kappe nicht. Aber als der Mann den Mund öffnete, seine ungleichmäßigen braunen Zähne zeigte und »Hey« sagte, wußte ich, daß es Funderburk war, der Deckoffizier vom Flaggschiff. Ich holte tief Luft und nickte ihm so beiläufig zu wie
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