Jenseits von Raum und Zeit
ein Taschendieb einem Geheimpolizist.
»Fragen Sie ihn«, sagte ich. »Er kennt mich.«
Funderburk kam die Stufen herab, und dabei wechselte sein Gesichtsausdruck drei- oder viermal.
»Ja.« Er nickte, als sei er ungeheuer zufrieden. »Ja.«
»Sie kennen diesen Vogel?« flüsterte der narbige Mann.
Ich versuchte ein bißchen Feuchtigkeit in meinen trockenen Mund zu kriegen. In meinen geringfügigen Wunden pochte es, aber das war nicht schlimmer als das schmerzende Ziehen in meinen Nerven. Ich war hungrig und müde, aber Scott hatte sich wahrscheinlich mindestens so übel gefühlt, als er auf einem Eisberg die letzte Seite seines Expeditionsberichts geschrieben hatte. In meinen Schläfen hämmerte es ein wenig, aber einer von diesen alten ägyptischen Hausärzten, der Schädeldecken mit einem Steinmesser aufgeschnitten hat, hätte wohl über meine Beschwerden gelacht.
»Sicher«, sagte Funderburk mit gekräuselten Lippen. »Gronski, er ist Ankermann in meiner Abteilung. Vor zwei Monaten haben sie den Trottel in meine Mannschaft gesteckt, und ich glaube, ich habe den Burschen seither kaum dreimal gesehen.« Er spuckte aus. »Der Liebling des Geschwaderkommandanten. Sei vorsichtig, Ajax. Der Kerl genießt gewisse Privilegien.«
Sie unterhielten sich flüsternd weiter, und ich schnappte den Namen Braze auf.
»Ich verstehe, daß Sie Ihren Job machen müssen«, sagte ich und klopfte Ajax auf die Schulter. »Aber übertreiben Sie es nicht.« Ich schob mich an ihm und Funderburk vorbei, stieg die Stufen hinauf und ging durch die Tür. Keine Maschinenpistolen dröhnten. Keine großen Hunde sprangen mich an, um die Widerstandskraft meiner Beine zu prüfen. Es schlug mir nicht einmal jemand einen Knüppel über den Schädel. So weit, so gut.
Ein Mann ging hinter mir her, einer an meiner rechten Seite. Ich durchquerte die große, in Wedgwood-Blau gehaltene Empfangshalle, kam an einem goldumrandeten Spiegel vorbei, der mir flüchtig das Bild eines blassen, unrasierten Gesichts zeigte, mit Augen, die wie glühende Kohlen wirkten. So mußte Mussolini ausgesehen haben, bevor die Partisanen ihn schnappten.
Die Stufen waren mit einem weinroten Teppich belegt, dessen Farbe sich merkwürdigerweise nicht mit der der Wände schlug. Vielleicht lag das an dem sanften gelben Licht, das ein Glaskronleuchter an einer langen goldenen Kette verströmte. Das Treppengeländer unter meiner Hand war breit und kühl und weiß. Dumpf dröhnten die Schritte der beiden Männer auf den Stufen hinter mir.
Ich kam an einem hohen Fenster vorbei, das Spitzenvorhänge und dunkle Gardinen verdeckten, an einem Gemälde, das einen kleinen Jungen in roten Samthosen darstellte, an einer alten Eichenholzuhr, die nicht tickte. Und dann trat ich in eine weite Halle, in der staubiges Grün vorherrschte. Große weißlackierte Türen mit glänzenden Messirtgklinken führten nach allen Seiten. Ein Mann saß auf einem Stuhl neben einem Sheraton-Tisch mit geschwungenen Beinen. Auf dem Tisch stand ein Messingaschenbecher, von dem eine Rauchwolke sich zu einem grünen Lampenschirm emporschlängelte. Eine Strahlwaffe lag auf seinen Knien. Er beobachtete mich, als ich näher trat, die Hand auf der Waffe.
Eine der Türen war geöffnet. Stimmen drangen in die Halle.
Ich hatte ein Gefühl, als würde ich geradewegs zum Galgen marschierén. Aber der armselige Bluff, den ich versuchte, gestattete zu diesem Zeitpunkt kein Zögern mehr. Ich ging weiter, trat durch die lichtschimmernde Tür und gelangte in einen großen Raum mit hoher Decke. Ein Schreibtisch, schwere Ledersessel, Bücherschränke und eine Bar in der Ecke bildeten die Einrichtung. Drei Männer standen mitten im Zimmer und blickten mir entgegen. Zwei dieser Männer hatte ich noch nie gesehen. Der dritte war ein Captain, an dessen Namen ich mich nicht erinnerte. Er musterte mich stirnrunzelnd, dann wandte er sich den anderen zu.
»Wo ist der Admiral?« fragte der Mann hinter mir.
Niemand antwortete. Der Captain blickte wieder stirnrunzelnd auf mich.
»Ich habe Sie doch schon einmal gesehen«, sagte er. »Wer sind Sie?«
»Der Kerl heißt Gronski«, erwiderte einer meiner Begleiter. »Einer von Brazes Zuträgern.«
»Bringen Sie eine Nachricht von Geschwaderkommandant Braze?« fragte einer der anderen Männer scharf.
»Ich möchte mit dem Admiral sprechen«, sagte ich mit fester Stimme. »Ich habe Ajax bereits gesagt, daß es sich um eine wichtige Angelegenheit handelt …«
»Reden Sie!«
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