Jenseits von Raum und Zeit
eines liebeskranken Bullen oder eines sterbenden Elches. Und dann hörte ich die donnernden Schritte von riesigen Füßen, deren Galopp so dröhnte, daß man auch angesichts der geringen Schwerkraft auf die gewaltige Größe ihres Besitzers schließen konnte.
Und dann tauchte das Wesen vor mir auf, und die Intuition meiner Urväter erwies sich als richtig. Es war kein Hund und keine Hyäne. Aber es sah so aus, wie eine Hyäne aussehen würde, wenn sie sieben Fuß hoch und der Umfang ihrer Fußgelenke so groß wie der meiner beiden Oberschenkel zusammen gewesen wäre. Der Kopf war so groß wie ein Einmann-Hubschrauber, und mit den Klauen hätte das Tier einen Menschen vom Boden aufheben können wie unsereins ein Stück Papier. Vielleicht war es dieser letzte Gedanke, der mich davon abhielt zu schießen. Noch im Todeskampf hätte mich das Monstrum erledigen können.
Der Riesenhund kam in einem Wirbel von Tannennadeln zum Stehen, bellte zum Abschluß noch einmal kurz auf und zeigte mir seine ellenlange hellrote Zunge. Glattes braunschwarzes Fell bedeckte seinen Körper. Die Zähne waren sechs Zoll lang. Seine glänzenden, kleinen schwarzen Augen erinnerten an einen Elefanten und waren am Unterlid rot gerändert.
Langsam kam er auf mich zu, als wolle er seine Beute genau in Augenschein nehmen, bevor er sie verspeiste. Ich hörte seine Gelenke knacken, als er sich bewegte. Seine Schultern waren mit dicken Muskelpaketen gepolstert. Bei jedem Schritt versanken seine Riesenpfoten tief im weichen Nadelteppich.
Ich spürte, wie meine Knie zu zittern begannen und meine Nackenhaare sich im knappen Raumanzug bemühten, zu Berge zu stehen. Er war jetzt nur mehr zehn Fuß von mir entfernt. Sein Atem rasselte durch Nüstem, in die ich meine Fäuste hätte stecken können, wie Dampf durch das Leck eines Kolbenmotors. Wenn er noch einen Schritt näher kam, würde ich feuern, egal, was dann passierte.
»Sitz!« rief ich im Befehlston. Zumindest hoffte ich, daß es so klang. Er blieb stehen, fuhr sich einmal mit der Zunge über das Maul und ließ dann vorsichtig seine Hinterläufe einknicken. Wie eine alte Dame, die sich in ihrem Lieblingssessel niederläßt. Dann saß er da und blickte mich an, und ich blickte ihn an, und während wir uns damit beschäftigten, kam der Riese.
6.
Lautlos kam er durch eine Schneise zwischen den dicken Stämmen. Und so groß er auch war, ich sah ihn erst, als er sich mir bis auf fünfzig Fuß genähert hatte.
Und er war wirklich sehr groß.
Es ist einfach, einen Mann zu beschreiben, der etwa zwölf Fuß groß ist. Das ist etwa zweimal so groß wie ein normaler Mann. Das wäre eben ein gewaltig großer Kerl, und es würde Spaß machen, über seine Schuhgröße zu witzeln.
Aber dieses Wesen war viermal so groß wie ein gewöhnlicher Mann, und als es auf mich zukam, verdunkelte sich der Himmel. Ein Berg von Muskeln und Knochen überragte mich. Mindestens tausendsechshundert Pfund in normalem Erdengewicht. Aber hier wog er nicht mehr als eine halbe Tonne. Doch sogar unter diesen Umständen trug jedes seiner Beine die Last von fünfhundert Pfund. Es waren starke, muskulöse Beine, über denen der Körper wie eine hundertjährige Eiche emporwuchs.
Aber so massiv er auch war, die Proportionen waren keineswegs verzerrt. Wenn man ihn durch ein Verkleinerungsglas photographierte, sah er sicher wie jeder andere Bewerber um den Titel des Mr. Universum aus. Er hatte gerade, klassisch geformte Glieder, jeder Muskel war wohlgebildet, und nichts störte das harmonische Gesamtbild.
Sein schwarzes Haar war gelockt und unregelmäßig geschnitten, aber es sah nicht ungepflegter aus als das Haar eines Mannes, der weit weg vom nächsten Friseur wohnt. Er hatte einen kurzgeschnittenen Bart und dicke schwarze Brauen, die sich über weit auseinanderstehenden hellblauen Augen wölbten. Seine Haut war wettergegerbt und hatte die Farbe von Kuhleder.
Seine Gesichtszüge waren so regelmäßig, daß man sie hübsch nennen konnte, wenn man für den Jupiter- beziehungsweise Poseidon-Stil schwärmte.
Das alles sah ich, als er in seiner leichten Lederkleidung auf mich zukam. Neben dem Köter blieb er stehen und tätschelte seinen Kopf. Dann blickte er auf mich herab, und einen gespenstischen Augenblick lang war ich wieder ein Kind, das zur geheimnisvollen Welt der Erwachsenen aufsah. Gedanken durchzuckten meine Stirn, Phantombilder aus einer Welt voll Liebe und Wärme und Sicherheit und anderen längst vergessenen
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