Jenseits von Raum und Zeit
retten.«
»Das sind nicht meine Kameraden«, schnarrte ich. »Sie sind eine bezahlte Fracht, das ist alles. Keine Lieferung, kein Geld. Und ich setze mein Leben keineswegs ein. Ich mache nur eine kleine Wanderung meiner Gesundheit zuliebe.«
Er musterte mich aufmerksam.
»Es gibt nur wenige Männer, die sich um diese Jahreszeit in die Höhen von Kooclain wagen. Nicht ohne triftigen Grund.«
»Ich habe einen triftigen Grund. Sogar vierzigtausend Gründe.«
Ein kleines Lächeln flog über sein Gesicht.
»Ich glaube, Sie haben viele Eigenschaften, Carl Patton. Aber dumm sind Sie nicht.«
»Gehen wir weiter«, sagte ich. »Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bevor ich kassieren kann.«
10.
Johnny Thunder verlangsamte seinen Schritt und schlug ein Tempo an, bei dem ich seiner Meinung nach mithalten konnte. Der Hund schien ein wenig nervös zu sein. Er hob die Nase schnüffelnd in die Luft und stürmte voran. Ich hielt leicht Schritt mit den beiden, vergaß aber nicht, den Anstieg mit realistischem Schnaufen zu untermalen und bei den Rastpausen angemessen zu keuchen. Aber ich übertrieb das nicht, damit der Riese nicht auf die Idee kam, langsamer zu werden. Nach und nach steigerte ich unauffällig unser Marschtempo, bis wir schließlich über vier Meilen pro Stunde schafften. Das ist eine ätramme Leistung auf flachem Gelände bei Normaltemperatur. Und man mußte schon ein trainierter Athlet sein, wenn man das lange durchhalten wollte. Aber mit den piezoelektronischen Muskeln meines Raumanzugs, die mir die Hälfte der Arbeit abnahmen, war das natürlich ein Kinderspiel – für mich.
Wir machten Mittagspause. Der große Mann holte Brot, Käse und eine Weinflasche aus seinem Futtersack und gab mir so viel davon, daß ich zweimal hätte satt werden können. Ich verspeiste das meiste und stopfte den Rest in die Mehrzwecktasche an meiner Schulter, als er gerade nicht herschaute. Als er seine Mahlzeit bendet hatte – seine Ration war nicht viel größer als die meine gewesen – stand ich auf und blickte ihn erwartungsvoll an. Er rührte sich nicht.
»Wir müssen jetzt eine Stunde rasten«, teilte er mir mit.
»Okay«, sagte ich. »Dann rasten Sie allein. Ich muß meine Pflicht tun.« Ich machte mich auf, stapfte durch den Schnee, und als ich zehn Schritt gegangen war, stolzierte der Riese an mir vorbei, drehte sich um und blockierte den Weg. Ich wollte mich rechts an ihm vorbeischieben, aber er trat mir entgegen. Als ich es links versuchte, passierte das gleiche.
»Rasten Sie, Carl Patton«, sagte mein Goliath, legte sich quer über den Weg, verschränkte die Arme unter dem Kopf und schloß die Augen. Nun, ich konnte ihn zwar nicht zum Weitergehen bewegen, aber ich konnte ihn vom Schlafen abhalten. Ich setzte mich neben ihn.
»Ein einsames Land«, sagte ich. Er antwortete nicht.
»Sieht so aus, als ob hier noch nie jemand gewesen wäre«, fügte ich hinzu. »Und nirgends eine Bierflasche.« Wieder würdigte er mich keiner Antwort.
»Wovon leben Sie eigentlich?« fragte ich. »Woraus machen Sie den Käse und das Brot?«
Er öffnete die Augen.
»Aus dem Herzen des Freundschaftsbaums. Es wird zu Mehl zerrieben, oder man bereitet einen Brei daraus und läßt diesen gären.«
»Hübsch«, sagte ich. »Und den Wein importieren Sie, nehme ich an.«
»Aus den Früchten desselben Baumes gewinnen wir den Wein.« Er sagte so selbstverständlich ›wir‹, als ob daheim eine Frau, sechs Kinder und eine ganze Versammlung von Freunden auf ihn warten würden.
»Am Anfang muß es sehr hart gewesen sein«, sagte ich. »Wenn der ganze Planet so ist wie dieses Gebiet hier, kann ich gar nicht verstehen, wie Ihre Ahnen überlebt haben.«
»Sie haben gekämpft«, sagte der Riese, als ob das alles hinreichend erklären würde.
»Aber Sie müssen doch nicht mehr kämpfen. Sie könnten diese Felsen verlassen und irgendwo ein angenehmes Leben unter einer warmen Sonne führen.«
Der Riese blickte nachdenklich zum Himmel.
»Wir haben eine Legende. Sie handelt von einem Land, wo die Luft mild ist und die Erde platzt, um immer neue Früchte hervorzubringen. Ich glaube nicht, daß mir dieses Land gefallen würde.«
»Warum nicht? Bereitet es Ihnen denn Freude, sich das Leben schwer zu machen?«
Er wandte den Kopf und blickte mich an.
»Sie sind es doch, der Mühsal ertragen muß, Carl Patton. Ich bin hier zu Hause, während Sie Kälte und Strapazen an einem Ort erdulden müssen, der Ihnen fremd ist.«
Ich grunzte.
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