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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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jäh umgeschlagen war. Diese Frage steckte ihr wie ein Dorn in der Seele. Und dann war da die Begegnung mit diesem Len Pienaar gewesen.
    Sie ließ sich in einen der weichen Wohnzimmersessel fallen und grübelte über den Mann nach. Diese Sorte Mensch war ihr noch nie zuvor begegnet, und in ihren Augen warf seine so selbstverständlich wirkende Anwesenheit im Haus ein ganz neues Licht auf die Frau, die ihre Schwester war. Unruhig stand sie wieder auf und lief im Zimmer umher. Vielleicht war ihr Urteil über ihn an seinem unangenehmen Äußeren hängen geblieben und sie hatte nie hinter die Fassade gesehen? Was hatte er ihr denn eigentlich getan? Schließlich war sie ins Haus eingedrungen, hatte sich dort unberechtigterweise aufgehalten, während er sich dort wie ein Mitglied der Familie bewegte. Gut, er hatte eine Waffe getragen, hatte sie gestreichelt, ihr damit Angst eingejagt, aber ob das seine Absicht gewesen war? Unsicher geworden, nagte sie an ihrem Daumennagel.
    Die widersprüchlichen Gedanken, die ihr wie panische Schmetterlinge
im Kopf herumflatterten, bekam sie einfach nicht unter Kontrolle. Frank hätte ihr helfen können. Frank, der die Welt bereist und so viel gesehen hatte, dessen herausragende Eigenschaft es gewesen war  – außer, dass er sie bedingungslos liebte  –, Probleme kühl sezieren zu können, bis der Kern freilag. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen, bemühte sich, ruhig zu atmen, aber sie konnte nicht verhindern, was jetzt kam.
    Es fing in ihrem Bauch an. Die Muskeln verkrampften sich, dann ihr Zwerchfell, Schluchzen zerriss ihren Körper, und ein Schmerz explodierte in ihrer Mitte, der sie völlig verwüstete. Als wäre eine Schleuse geöffnet worden, stürzten ihr Tränen aus den Augen, und sie weinte und weinte. Um Frank, um sich, um ihre verlorene Zukunft. Mit jeder Faser ihres Körpers sehnte sie sich nach ihm. Sehnte sich danach, ihn zu fühlen, zu riechen, zu schmecken und mit ihm reden zu können, sich an ihn anzulehnen. Seine ruhige Klugheit würde Ordnung in ihre wirre Gefühlslage bringen. Oft, wenn sie sich ihrer selbst nicht sicher war, hatten ein paar Worte von ihm genügt, und ihr Blick war wieder klar geworden, und sie hatte ihr Ziel erkennen können.
    Ihr Weinen steigerte sich, wurde immer lauter, bis sie schrie. Sie warf sich aufs Bett und schrie und trommelte auf die Kissen, bis sie alles aus sich herausgepresst und sich leer geschrien hatte. Völlig ausgepumpt blieb sie auf dem Bett liegen, bis der Anfall vorüber war. Irgendwann schleppte sie sich ins Badezimmer und hielt ihr Gesicht unter den Kaltwasserhahn, aber das Wasser war von der Sonnenhitze aufgeheizt und brachte keinerlei Erleichterung. Sie taumelte hinüber zur Minibar, brach Eiswürfel aus deren Behälter und rieb sich damit Gesicht, Ausschnitt und Arme ab, bis sie in einer großen Wasserpfütze stand.
    Immer noch wie in Trance, tappte sie auf die Terrasse, wobei sie die ganze Nässe über den Wohnzimmerboden verteilte. Es war ihr egal. Die Fliesen waren warm, das Wasser würde schon von allein verdunsten. Auf der Veranda fiel sie in einen der Rattansessel.
Sie fühlte sich brüchig, ausgetrocknet von der Tränenflut, hatte rasende Kopfschmerzen und einen tonnenschweren Druck auf der Seele. Sie legte den Kopf gegen die Lehne und schaute einer einzelnen schneeweißen Wolke nach, die im tiefblauen Himmelsmeer schwamm. Sie zwang sich, in sich aufzunehmen, was sie spürte.
    Sonnenwärme, einen feinen Feuchtigkeitsschleier auf der Haut, Blütenduft. Die Hand tat ihr weh. Sie hob sie hoch und drehte sie. Unterhalb der Handwurzel hatte sich ein kleiner Bluterguss gebildet. Offenbar hatte sie sich bei ihrem Ausbruch gestoßen, ohne es zu merken. Auf dem hölzernen Verandageländer balancierte ein junger Affe und sah sie neugierig an. Sie ignorierte ihn und rieb abwesend mit dem Daumen über den Fleck. Die gleiche Bewegung, mit der Pienaar seine Pistole gestreichelt hatte.
    Len Pienaar? Eigenartigerweise schien er jetzt in ihrer Erinnerung zu schrumpfen. Im Nachhinein war sie sich ziemlich sicher, dass er nur ein Angestellter der Farm war. Nichts mehr. Niemand von Bedeutung.
    Auf einmal stieß der Affe ein lang gezogenes Kreischen aus und schoss als grauer Blitz in den nächsten Baum.
    Â»Hallo.« Eine sanfte männliche Stimme.
    Sie erschrak derart, dass es sie schüttelte. Dirk

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