Jenseits von Timbuktu
Meter von ihr entfernt auf einer winzigen Lichtung stand, hingen Meerkatzen  â silbernes Fell und Augen wie dunkle Trauben  â an den Zweigen. Ein Warzenschwein, auf den Vorderbeinen kniend, das Hinterteil hochgestreckt, grub die Erde mit seinen Hauern auf der Suche nach saftigen Graswurzeln um.
Jill hatte gesagt, dass diese Tiere gefährlich werden könnten, aber mit flüchtiger Verwunderung registrierte sie, dass sie so allein in der Wildnis überhaupt keine Angst empfand. Leise, um die Natur nicht zu stören, ging sie weiter, atmete tief und lieà die herrliche Morgenluft in die kleinsten Verästelungen ihrer Lunge strömen.
Afrika umgarnte sie mit seinem Zauber. Heimlich und unbemerkt kroch es ihr unter die Haut, nahm Stück für Stück Besitz
von ihrer Seele und ihrem Herzen, machte sich verstohlen daran, sie völlig in seinen Bann zu schlagen. Noch war es ihr nicht bewusst, aber war sie erst in seinem Netz gefangen, würde sie nie wieder davon loskommen.
Noch ganz erfüllt von all der Herrlichkeit, schlenderte sie zum Restaurant, um zu frühstücken.
Â
Nils hatte sich in Jills Auftrag bei Thabili vergewissert, dass die Lebensmittellieferungen, besonders die von Gemüse und Fleisch rechtzeitig angekommen waren, und auch der Wartungsdienst für den Notfallgenerator schon unterwegs war, und ging anschlieÃend in die Küche, um ein paar Früchte zu holen. GewohnheitsmäÃig machte er ein paar Schritte vor die Tür, um zu sehen, ob mit den Dobermännern, die sich tagsüber in dem von einer weiÃen Mauer eingefriedeten Hof aufhielten, alles in Ordnung war, als er plötzlich über einen dahingestreckten Körper stolperte. Zu seinem Schrecken sah er, dass es Nelly Dlamini war.
Die Zulu lag, Gesicht nach unten, im Kräuterbeet. Der Rock ihres dunkelblauen Kleides war weit über die Knie hochgeschoben, aus einem Kratzer an ihrem Arm sickerte Blut. Erst glaubte Nils, sie wäre betrunken, und wollte ihr schon einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf schütten, aber dann fiel ihm ein, dass Nelly auÃer höchstens einmal einem Krug von ihrem selbst gebrauten Bier keinen Alkohol zu sich nahm.
Er rief ihren Namen und rüttelte sie an der Schulter, bekam aber auÃer einem unverständlichen Röcheln keine Antwort. Alarmiert griff er unter ihre Achseln und drehte sie behutsam um, was bei dem Gewicht der alten Frau eine ziemliche Kraftanstrengung war. Nellys Kopf fiel nach hinten. Ihr Gesicht hatte die Farbe von nasser Asche, die dunklen Lippen zeigten einen bläulichen Schimmer, ihre Haut war von kaltem Schweià bedeckt. Er schlug ihr sanft mit der flachen Hand ins Gesicht.
»Nelly, aufwachen, komm schon, mach die Augen auf â¦Â«
Nelly stöhnte, blinzelte, aber kam nicht richtig zu sich.
»Jill!«, schrie er. »Schnell  â ich brauche Hilfe! Nelly gehtâs nicht gut.«
Seine Frau musste den Schrecken in seiner Stimme sofort mitbekommen haben, denn sie stürzte aus ihrem Haus auf den Hof. Nach einem Blick auf ihre alte Nanny zog sie ihr Mobiltelefon heraus. »Ruf Thandi Kunene von deinem Telefon aus an«, sagte sie zu Nils, während sie rasch zwei, drei Fotos mit der Handykamera machte.
»Ich hab Thandi dran«, sagte Nils und reichte ihr sein Telefon.
»Nein, sie ist nicht bei Bewusstsein, jedenfalls nicht so, dass sie ansprechbar wäre«, sagte Jill zu Nellys Ãrztin und beschrieb dann die Symptome. »Ja, ihre Lippen sind richtig blau, und ihr Atem geht schwer. Das jagt mir richtig Angst ein, sie ist ja Asthmatikerin. Ich habe ein paar Fotos mit dem Handy gemacht. Würden die dir nützen? Okay, dann schicke ich sie dir gleich.«
Sie beendete den Anruf und rief das MMS-Programm auf. Eine Minute später waren die Bilder auf dem Weg zu Dr. Thandile Kunene, die ihre eigene Klinik im Herzen von Zululand leitete.
»Hier können wir nichts für sie tun. Wir müssen sie sofort zu Thandi ins Krankenhaus bringen. Auf den Krankenwagen zu warten dauert viel zu lange. Ich hole den Wagen her.«
Nils, der Nellys Hand hielt, schüttelte den Kopf. »Wir müssen den Hubschrauber holen. Ihr geht es verdammt schlecht.« Den Gedanken an die exorbitanten Kosten eines Hubschrauberflugs schob er energisch beiseite. Wenn Nelly einen Hubschrauber brauchte, dann war es eben so.
Jill tippte wortlos die Notfallnummer ein und gab die Adresse Inqabas und
Weitere Kostenlose Bücher