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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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durch die Dattelpalmenallee. Im Schatten des Tulpenbaums stellte sie das Fahrzeug ab. Als sie ausstieg, bemerkte sie sofort, dass das Tageslicht sich merkwürdig verändert hatte. Alle Farben leuchteten auf besondere Art. Das Grün schimmerte grüner, das Rot war flammender. Die Sonne brannte heiß wie immer, über ihr war der Himmel ein unnatürlich tiefes Blau, aber der Gazeschleier hatte sich verdichtet, war zu einem undurchsichtigen schwefelgelben Vorhang geworden. Über dem Horizont brodelte die Atmosphäre, und aus dem Schwefelgelb baute sich ein Wolkenturm auf.
    Es würde Gewitter geben, dachte sie und wurde unvermittelt von einer Vorahnung überfallen, die sie nicht genau fassen konnte. Angst war es nicht  – wovor auch  –, eher eine Art bohrende Unruhe. Entschlossen schüttelte sie das Gefühl ab, ging die Stufen hoch zur Veranda und klopfte an die Tür.

    Â»Corde… Lia, ich bin’s. Anita.«
    Bis sie Schritte hörte, dauerte es so lange, dass sie schon umkehren wollte. Schließlich öffnete Cordelia die Tür.
    Â»Hi«, sagte sie angesichts der verschlossenen Miene ihrer Schwester etwas beklommen, unsicher, ob sie tatsächlich willkommen war. »Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe. Wie geht es dir?«
    Cordelias lange Beine steckten in steinfarbenen Shorts, die Füße in offenen Sandalen. Die dunkelblaue Bluse hatte sie in der Taille geknotet, was ihre Figur sehr vorteilhaft zur Geltung brachte. »Danke … ganz gut«, sagte Cordelia nach einer Pause.
    Â»Wie schade, dass du Timbuktu einzäunen lässt …«, sprudelte es aus Anita heraus. Sofort biss sie sich auf die Zunge, konnte sich selbst nicht erklären, warum sie das Thema überhaupt angeschnitten hatte.
    Cordelias Gesicht verschloss sich weiter, so als wäre eine Tür zugefallen. »Umstände haben es notwendig gemacht. Hör mal, wir müssen reden. Nur wir zwei.«
    Anita nickte und wusste nicht, was sie antworten sollte, fand ohnehin, dass ihr die Stimme nicht richtig gehorchte. Mehr als ein krächzendes Geräusch brachte sie nicht heraus.
    Â»Setzen wir uns auf die Veranda, da ist es am angenehmsten«, sagte Cordelia. »Ich habe ein paar Kekse gebacken und Kaffee gemacht.« Sie drehte sich in der Tür um. »Cathy!«, rief sie ins Haus hinein. »Bring Kekse und Kaffee für zwei Personen auf die Veranda!«
    Sie ging Anita voraus und wies auf einen der Sessel. Anita ließ sich hineinfallen und klemmte ihre Umhängetasche neben sich. Cordelia setzte sich schräg gegenüber, legte die Hände auf die Knie und schwieg, ihr Gesicht ausdruckslos, der Blick abgewendet. Auch Anita schwieg, betrachtete dabei intensiv ihre Zehen. Der Lack war an einigen Stellen abgesplittert, stellte sie fest. Die Frage, warum ihre Schwester auf einmal so abweisend wirkte,
brannte ihr auf der Seele. War in der Nacht etwas vorgefallen, dass sie sich ebenso unvermittelt wie gestern hinter ihrer inneren Mauer verschanzt hatte? Sie entschied, dem ein anderes Mal nachzugehen.
    Â»Du hast die Augen von Vater«, hörte sie plötzlich Cordelias Stimme. »Ich kann einfach nicht ertragen, dich anzusehen … Immer sehe ich seine Augen … Verstehst du?«
    Anita reagierte, als hätte sie ein Schlag ins Gesicht getroffen. Ihr Kopf flog hoch. »Was hat das mit mir zu tun? Ich hab dir doch nichts getan.«
    Â»Du hast nichts getan, es ist eben Vater, den ich in dir sehe. Diese Augen. Die Erinnerung an ihn kann ich nicht aushalten … Er war ein furchtbarer Mann.« Ihre Finger verkrampften sich ineinander.
    Anita versteifte sich. »Das wirst du mir erklären müssen. Für mich war Papa der liebevollste Vater, den ich mir vorstellen konnte.« Mit mahlenden Kinnbacken wartete sie auf die Antwort ihrer Schwester. »Also, was war so furchtbar? Was soll er getan haben?«
    Cordelias Augen verfolgten einen Schmetterling, der durchs Sonnenlicht gaukelte. Sie sah ihm nach, bis er verschwunden war. Dann fing sie an zu sprechen, und Anita spürte, dass sich wieder ein Spalt in ihrem seelischen Panzer geöffnet hatte. Mit angehaltenem Atem hörte sie ihrer Schwester zu.
    Â»Ich bin auf Timbuktu geboren und habe fast mein ganzes Leben hier verbracht. Es gab nur … Vater, Mama und mich. Und natürlich die Zulus … das Farmpersonal. Die Schulzeit habe ich in einem Internat

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