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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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könnte«, raunte sie und legte ihre Arme um ihn.
    Â 
    Marina Muro lehnte sich weit über den Tisch und fixierte den Regisseur, wobei ihr Dekolleté eine Aussicht erlaubte, die fast bis zu ihrem Bauchnabel reichte. »Denkst du ernsthaft darüber nach, einen Film über die Geschichte Jills zu drehen? Ich glaube nicht, dass sie dir die Rechte dazu überlässt.«
    Flavio ging auf ihre Frage nicht ein, stattdessen nahm er die Menükarte zur Hand. »Wollen wir bestellen?«
    Â»Gefühlloser Mistkerl«, bemerkte Marina mit Inbrunst.
    Der Regisseur hob in gespielter Empörung die Brauen. »Mein Magen rumort, und mir ist ziemlich flau, also ich muss etwas essen. Und das hier ist, soweit ich weiß, ein Restaurant, und zwar ein gutes.«
    Anita hatte dem Geplänkel nicht zugehört. Jills Bericht über das, was sie mitgemacht hatte, das, was dieser Pienaar verkörperte, wollte ihr nicht in den Kopf. So etwas las man in der Zeitung oder bekam es in den Abendnachrichten im Fernsehen präsentiert. Im Auslandsjournal vielleicht. So etwas war nicht die Wirklichkeit, nur Fernsehen, so etwas war Lichtjahre von ihrem eigenen Leben entfernt.
    Â»Was hat Jill da beschrieben?«, fragte sie niemand im Besonderen.
»Bandenkrieg der Drogenmafia? Wilder Westen? Ich glaube, ich bin im falschen Film gelandet.«
    Dirk Konrad starrte sekundenlang mit einem solchen Ausdruck im Gesicht ins Leere, dass Anita unwillkürlich den Atem anhielt.
    Â»Afrika«, sagte er schließlich leise. »So ist Afrika. Und Afrika liegt auf einem anderen Planeten.«

11
    A nita hatte schlecht geschlafen. Wirre Träume hatten sie durch dunkle Tunnel getrieben, und mitten in der Nacht wurde sie von Herzjagen und einer diffusen Panik geweckt. Nachdem sie ein Glas Wasser getrunken hatte, fiel sie am Ende doch noch in tiefen, ungestörten Schlaf.
    Allerdings hämmerte in aller Herrgottsfrühe  – es war gerade 4 Uhr  – dieser unerträglich ausgeschlafene, unerträglich fröhliche Ranger Mark wieder einen Trommelwirbel an ihre Tür und lud sie zur Morgensafari ein. Bis zu diesem Moment hatte sie relativ gut geschlafen, das heißt, sie hatte nichts Besonderes geträumt, zumindest nichts, was ihre Seele verdunkelte, nichts, was ihr jetzt noch nachhing.
    Nachdem sie Mark sehr klar mitgeteilt hatte, was sie von ihm und seiner Morgensafari hielt, war sie zwar wieder ins Bett gekrochen, hatte aber schlaflos ins dämmrige Gebälk über ihr gestarrt und an Schlangen gedacht. An Cordelia und Maurice natürlich auch, und auch an diesen Len Pienaar. Geschlafen hatte sie nicht mehr.
    Kurz vor Sonnenaufgang stand sie missgelaunt auf, duschte, zog sich Shorts und ein luftiges Spaghettiträger-Top an  – es war jetzt schon bullig heiß  – und streckte den Kopf aus der Eingangstür.
    Außer den Vogelstimmen, die die Begrüßung der Sonne probten, herrschte Stille. Kein Knurren im Busch, niemand hustete, keiner hämmerte an die Tür. Sie nahm ihren Mut zusammen und zog einen Sessel zur Holzbalustrade der Veranda. Die Eingangstür allerdings ließ sie offen, und das Handy hatte sie
griffbereit in der Tasche. Schließlich war das hier Afrika. Hier konnte alles passieren. Zu jeder Zeit.
    Die Luft war lau und schmeichelnd, die restliche Feuchtigkeit der Nacht eine prickelnde Erfrischung. Mit einem Singen im Herzen sah sie zu, wie von Osten her ein Strahlen die Welt erleuchtete, die zarten Wolkenschleier sich rosa färbten und eine feurige Linie die Konturen der Hügel nachzeichnete.
    Und dann erschien sie, die Lebensspenderin, und der Himmel stand in Flammen. Überrascht spürte sie, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. Es waren seit Langem zum ersten Mal keine der Trauer oder des Schmerzes. Sie schaute in das Gefunkel um sie herum und ließ die Tränen laufen.
    Später, als die ersten Sonnenstrahlen heiß auf ihrer Haut tanzten und die Hadidahs, die metallisch schimmernden Ibisvögel, laut trompetend über dem Bungalow kreisten, zog es sie unwiderstehlich hinunter in den flirrenden Schatten des Buschpfades. Alle Sinne hellwach, erkundete sie die schmalen Wege, die die Bungalows und die Lodge verbanden, bog hier ein, nahm dort eine Abkürzung, die nichts weiter war als ein Trampelpfad durch lichtes Gehölz. Die Sonne war höher gestiegen, die Zikaden waren aufgewacht, und in dem Baum, der keine zwanzig

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